Schmerzen an allen möglichen Stellen, die wieder verschwinden und an anderer Stelle erneut auftreten. Erschöpfung und Müdigkeit ohne erkennbaren Anlass. Erhöhter Puls auch im Ruhezustand, Schwindelgefühle, Atemnot, Magen-Darm-Beschwerden – die Liste ist lang. Wenn Sie von einem oder mehreren dieser und anderer Symptome betroffen sind, Ihr Arzt aber keine eindeutige Diagnose stellen kann, beziehungsweise keine Ursache findet, stehen häufig sogenannte psychosomatische Krankheitsbilder dahinter. Sie können Ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, deshalb lohnt es sich, dem Phänomen auf den Grund zu gehen.
1.000 Symtome, keine klare Diagnose
Wer mit konkreten Symptomen zu tun hat, die nicht zeitnah wieder vergehen, sondern immer wiederkehren, geht in der Regel irgendwann zum Arzt. Auch bei wechselnden Beschwerden, die sich hartnäckig halten, ist eine Diagnose hilfreich, um Abhilfe schaffen zu können. Wenn Ihr Arzt für die Phänomene jedoch keine eindeutige Ursache findet, ein Blutbild ergebnislos bleibt, Sie im landläufigen Sinne als gesund gelten, wird es problematisch.
Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, dass Sie einen Befund erhalten, beispielsweise ein chronisches Schmerzsyndrom oder ein Magengeschwür. Für diese sind jedoch oft keine eindeutigen oder ausschließlich organischen Ursachen verantwortlich, oder es wird nichts gefunden, was die Krankheit aus medizinischer Sicht erklärt.
Viele Menschen suchen häufig mehrere Ärzte auf, die fachlich zum Beschwerdebild passen. Das können Internisten sein, Gastroenterologen, Orthopäden oder auch Neurologen, mit immer dem gleichen Ergebnis. Entweder Ihr Arzt findet keinen Auslöser für Ihre Erkrankung oder es fehlt Ihnen in organischer Hinsicht nichts, und Sie gelten als körperlich gesund. Faktisch wissen Sie jedoch sehr genau, was Sie wahrnehmen. Sie fühlen sich auf der einen Seite zunehmend eingeschränkter und auf der anderen nicht ernst genommen.
Der Begriff Psychosomatik
Der Begriff Psychosomatik besteht aus den beiden Wörtern Psyche (Seele) und Soma (Körper) und bezeichnet das Wechselspiel zwischen beiden. Sie kennen vermutlich noch aus Ihrer Teenagerzeit diese Klassiker: Durchfall vor einer wichtigen Schulprüfung oder starkes Herzrasen bei der ersten Verliebtheit. Bei beiden Phänomenen liegt keinerlei organische Erkrankung zugrunde und dennoch sind sie deutlich wahrnehmbar. Zuständig dafür ist die Interaktion zwischen Psyche und Körper, die sich gegenseitig beeinflussen.
Über die genannten akut vorkommenden Zustände hinaus führen auch langanhaltende Belastungen zu vergleichbaren und anderen Symptomen, bis hin zu komplexen Störungsbildern. Die Hintergründe können beispielsweise fortwährende Stresssituationen sein, die sich im Kern nicht lösen lassen oder auch konstante seelische Belastungen. Hierbei entsteht mit der Zeit eine Negativspirale. Entweder Ihre psychische Belastung führt nach und nach zu einer körperlichen Erkrankung oder Ihre körperlichen Einschränkungen führen zu Belastungen Ihrer Psyche.
Psychosomatik gilt als ein eigenständiges Fachgebiet innerhalb der Medizin. Sie befasst sich mit den genannten Prozessen, vor allem mit den Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen Abläufen. Die Art und Weise, in der kognitive, psychische, körperliche, emotionale und soziale Aspekte miteinander funktionieren und interagieren steht bei der psychosomatischen Medizin im Fokus des Interesses.
Psychosomatische Krankheitsbilder und ihre vielfältigen Ausprägungen
Psychosomatische Erkrankungen umfassen eine große Anzahl an Beschwerdebildern. Sie können von Person zu Person stark variieren und dabei zahlreiche unterschiedliche Verläufe nehmen. Die nachfolgenden Beispiele bilden dabei lediglich einen Ausschnitt der vielen Erscheinungsformen ab.
Schlafstörungen
Über lange anhaltende Zeiträume immer wiederkehrende Schlafprobleme führen zu Einschränkungen bei der Alltagsbewältigung. Der Schlaf ist entweder unruhig oder Sie haben Schwierigkeiten überhaupt einzuschlafen. Innere Konflikte und psychische Belastungen sind prädestiniert für Schlafstörungen.
Bluthochdruck
Ihr Herz-Kreislauf-System ist prinzipiell gesund, dennoch sind Sie immer wieder mit Blutdruckspitzen konfrontiert. Situationen wie Ärger, Stress oder andere psychische Belastungen können daran wesentlich mitwirken.
Spannungskopfschmerzen
Neurologisch ist alles bestens abgeklärt, dennoch leiden Sie unter häufigen starken Spannungskopfschmerzen. Sie entstehen durch eine starke muskuläre Anspannung im Bereich von Kopf und Nacken und korrespondieren mit Stress oder psychischen Konflikten als auslösenden Faktoren.
Reizdarmsyndrom
Das Krankheitsbild betrifft den Magen-Darm-Trakt. Es kommt regelmäßig zu Bauschmerzen, Verstopfung und/oder Durchfall, Blähungen und unregelmäßigem Stuhlgang. Psychische Belastungen oder auch Stress führen zu einer Zunahme der Symptome.
Magenschmerzen
Sie haben konstant mit Schmerzen im Bereich des Magens zu tun, die langfristig auch zu einem Magengeschwür führen können. Eine medizinische Ursache gibt es nicht, stattdessen werden die Beschwerden oftmals durch seelische Belastungen und Stress, die langfristig bestehen, hervorgerufen.
Es gibt zahlreiche weitere psychosomatische Beschwerdebilder, die Ihren Alltag deutlich einschränken können und Ihre Lebensqualität verringern. Psychische Belastungen, die nicht immer als solche wahrgenommen werden, führen zu körperlichen Symptomen und unbehandelt immer wieder auch zu Krankheiten. Wenn Sie erhebliche körperliche Symptome haben, die jedoch nicht in einer „messbaren“ organischen Ursache münden, wird dies als somatoforme Störung bezeichnet.
Psychosomatische Beschwerden und mögliche Risikofaktoren
Psychosomatische Beschwerden betreffen einen signifikanten Teil der Bevölkerung. Es gibt keine konkreten Zahlen, die sich eindeutig auf psychosomatische Krankheitsbilder zurückführen lassen, weil die Diagnostik komplex ist und die Symptome vielfach auch mit anderen Erkrankungsursachen verwechselt werden. Es gibt belastbare Zahlen für psychische, jedoch nicht für eindeutig psychosomatische Erkrankungen.
Grundsätzlich kann jeder Mensch von somatoformen und psychosomatischen Krankheitsbildern betroffen sein. Es gibt keine bestimmte Gruppe, die besonders anfällig oder betroffen wäre. Es existieren jedoch konkrete Risikofaktoren, die mit einer erhöhten Anfälligkeit für psychosomatische Symptome einhergehen. Dazu zählen vor allem:
- hohe Stressbelastungen, chronischer Stress
- andauernde Konflikte im Beruf oder Privatleben
- erlebte Traumata
- fortwährende Trauer
- starke Ängste und Depressionen
- chronische Schmerzen
Menschen reagieren unterschiedlich schnell und auch nicht gleichermaßen intensiv auf solche Belastungen. Genetische Faktoren spielen dabei ebenso eine Rolle wie frühkindliche Prägungen, die sich auf die Entwicklung des Gehirns und des Zentralnervensystems auswirken können. Auch das soziale Umfeld kann mit seinen jeweiligen Reaktionen ein Krankheitsbild verstärken oder abmildern.
Welche Art von Symptomen Menschen entwickeln, lässt sich nicht vorhersagen. Dies hängt primär mit den jeweils individuellen Bewältigungsmechanismen zusammen.
Behandlungsmöglichkeiten bei psychosomatischen Beschwerden
In der Medizin haben psychosomatische Erkrankungen einen ebenso relevanten Stellenwert wie rein organische Krankheitsbilder. Bei beiden sind Alltag und Lebensqualität stark eingeschränkt. Wenn Sie sich an einen Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie wenden, können Sie auf der Basis einer umfassenden Anamnese eine psychosomatische Therapie in Anspruch nehmen. Ihr Hausarzt ist die erste Anlaufstelle, er kann Ihnen eine geeignete Überweisung ausstellen.
Die therapeutische Intervention hilft Ihnen dabei, die zentralen auslösenden Faktoren für Ihren Stress und Ihre Symptome zu identifizieren und die entsprechenden Auslöser zu reduzieren.
In Zusammenarbeit mit Ihrem Therapeuten wird ein individueller Behandlungsplan entwickelt, der aus mehreren Bausteinen zusammengesetzt sein kann. Eine hohe therapeutische Relevanz hat beispielsweise die Kombination aus Psychotherapie, Bewegungstherapie und Entspannungsverfahren.
Fazit
Psychosomatische Erkrankungen unterscheiden sich hinsichtlich Ihrer Relevanz für die Gesundheit eines Menschen nicht von rein organischen Krankheiten. Sie können selbst viel tun, indem Sie sich mit Ihren persönlichen Stress- und Konfliktfaktoren auseinandersetzen. Eine professionelle therapeutische Behandlung unterstützt Sie dabei, sich mit belastenden Themen zu befassen und Ihre Ressourcen gezielt einzusetzen. Der Fokus liegt dabei auf den Bereichen, die Sie am meisten belasten und dadurch zu den Beschwerden führen. Ziel ist eine Verbesserung Ihrer Symptome und eine Bearbeitung der zugrunde liegenden belastenden Faktoren.