Verhaltenstherapie, systemische Therapie, Psychoanalyse…
Welche Behandlungsansätze gibt es und worin unterscheiden sich diese?

„Welche Therapie eignet sich für mich?“, ist eine der ersten und wichtigsten Fragen, die sich für Betroffene nach der Diagnose einer psychischen Erkrankung stellt. Die Behandlungsansätze sind vielfältig. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Psychotherapieformen vor und erläutern deren Unterschiede.

Wie entscheide ich, welche Therapie ich benötige?

Für die Wahl der passenden Therapieform existieren keine allgemeingültigen Kriterien. Auf sich allein gestellt, ist man bei dieser Entscheidung dennoch nicht. Welche psychotherapeutische Behandlung die zielführendste bei Ihrer Symptomatik ist, eruieren Sie gemeinsam mit Ihrem Psychiater oder Psychotherapeuten. Hier wird in einem umfassenden Erstgespräch ein Therapieplan erstellt, der an die individuelle Krankheitsproblematik und Ihre persönliche Situation angepasst ist und den Bedarf an tatsächlich benötigter Hilfestellung ermittelt.

Welche Therapieformen gibt es?

Insgesamt bieten sich heute fünf wissenschaftlich anerkannte, therapeutische Verfahren für die nicht-medikamentöse Behandlung von psychischen Erkrankungen. Hierzu zählen die analytische und die tiefenpsychologische Therapie, die Verhaltenstherapie, die Gesprächstherapie und die systemische Therapie. Nahezu jeder Therapeut hat einen Behandlungsschwerpunkt auf eine dieser Therapierichtungen, doch gehen viele Elemente der einzelnen Therapien fließend ineinander über, sodass mitunter eine individuelle Anpassung der Behandlung möglich sein kann.

Analytische Psychotherapie

Die Psychoanalyse geht auf Sigmund Freud zurück und ist als Urform der Psychotherapie der wohl bekannteste Therapieansatz. Er sucht die Ursache von psychischen Erkrankungen in nicht bewältigten Entwicklungsaspekten, traumatischen Erlebnissen und unbewussten innerseelischen Konflikten, die bis in die Kindheit zurückreichen können. Hat ein Kind beispielsweise von seinen Eltern keine Geborgenheit erfahren, kann dieses Bedürfnis als Selbstschutz bereits seit frühester Kindheit verdrängt worden sein. Dieser innere, zumeist unbewusste Konflikt verursacht im späteren Leben jedoch möglicherweise Probleme, wenn die Person sich in Partnerschaften oder anderen sozialen Bindungen nicht auf Nähe und Geborgenheit einlassen kann. Um das innere Gleichgewicht wiederherzustellen, ist es wichtig, diese Ursache zu erkennen und aufzuarbeiten.

Bei der klassischen Psychoanalyse tritt der Therapeut als neutraler Gesprächspartner in direkten Dialog zum Patienten und unterstützt diesen durch analytisches Reflektieren dabei seinen Lebensweg zu rekonstruieren. Im Gegensatz zur Verhaltenstherapie gibt er diesem dabei keine direkten Handlungsanweisungen. Die recht langwierige Therapieform eignet sich zur Behandlung seelischer Probleme und Störungen, wird aber auch zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit angewandt. Sie erstreckt sich in der Regel über mehrere Jahre und erfordert drei bis vier Sitzungen pro Woche, die als Einzel- oder Gruppensitzung stattfinden können. Mittlerweile gibt es Verfahren, die sich aus der Psychoanalyse entwickelt haben und weniger Zeit in Anspruch nehmen.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Die tiefenpsychologisch fundierte Therapie legt – ähnlich wie die Psychoanalyse – den Blick auf unbewusste innerseelische Konflikte und deren Auswirkungen auf das Fühlen, Denken und Handeln. Sie umfasst verschiedene Psychotherapeutische Verfahren, die sich aus der klassischen Psychoanalyse entwickelt haben, verläuft jedoch zielorientierter und ist daher auch zeitlich begrenzter. Der Therapeut konzentriert sich auf die wichtigsten Konflikte, die den Patienten belasten und auf deren Übertragung ins Hier und Jetzt. Im Gegensatz zur klassischen Psychoanalyse werden bei der tiefenpsychologisch fundierten Therapie in der Anfangsphase konkrete Ziele, wie bspw. mehr Gelassenheit, festgelegt, die während der Behandlung erreicht werden sollen. Diese orientieren sich häufig an einem zentralen Konflikt, den Therapeut und Patient in den ersten Sitzungen herausarbeiten.

Das Vorgehen des Therapeuten ist dabei aktiver und stärker intervenierend als bei der klassischen Psychoanalyse, jedoch ohne konkrete Handlungsempfehlungen auszusprechen. Vielmehr nutzt der Therapeut die Interaktion mit dem Patienten als Spiegel für dessen Umgang mit anderen Menschen und hakt bei Auffälligkeiten entsprechend nach. Wieso meidet er bestimmte Themen? Warum verhält er sich bei bestimmten Fragen ängstlich?

Grundsätzlich wird bei der tiefenpsychologisch fundierten Therapie den Gefühlen viel Raum gegeben und beispielsweise mit Bildern und Assoziationen gearbeitet. Daher eignet sich diese Therapieform auch für Personen sehr gut, denen es schwerfällt, Ihre Probleme in Worte zu fassen sowie für stark rationalisierende, emotional blockierte Patienten. Sie kann bei den meisten psychischen Störungen empfohlen werden, insbesondere bei Depressionen, Posttraumatischen Belastungsstörungen und Angsterkrankungen. Die Dauer einer tiefenpsychologisch fundierten Behandlung liegt zumeist bei einigen Monaten bis zu zwei Jahren und findet ein bis zweimal wöchentlich statt. Sie kann auch über mehrere Jahre gehen, wobei sich die Abstände zwischen den Sitzungen dann verkürzen.

(Kognitive) Verhaltenstherapie

Diese Form der Psychotherapie hat sich als Gegenbewegung zur Psychoanalyse entwickelt und entstand aus der Schule des sogenannten Behaviorismus. Sie geht davon aus, dass falsch erlernte Vorstellungen und Verhaltensmuster auf Dauer psychische Erkrankung auslösen oder verstärken und legt den Fokus weniger stark auf die Lebensgeschichte des Patienten. Vereinfacht gesagt: Anstatt die Ursachen für seelische Probleme in der Kindheit zu suchen, soll der Patient vor allem Techniken für die Gegenwart erlernen, um mit seinen Belastungen im Hier und Jetzt umzugehen.

Entscheidend für die Erkenntnisse des Behaviorismus und die heutige Verhaltenstherapie waren die Experimente des russischen Psychologen Ivan Pavlov: Er fand heraus, dass entsprechend trainierte Hunde direkt mit Speichelfluss auf das Läuten einer Glocke reagieren, wenn diese zuvor immer unmittelbar vor dem Füttern geläutet wurde. Die Hunde hatten gelernt, das Läuten der Glocke mit Futter zu verbinden. Der Fachbegriff dieses Lernprinzips, das sich auch auf Menschen anwenden lässt und die Basis der Verhaltenstherapie bildet, lautet „klassische Konditionierung“.

Zu den Methoden der (kognitiven) Verhaltenstherapie zählen beispielsweise Angstbewältigungsstrategien, Rollenspiele, Verhaltensübungen, Vorstellungsübungen (mentales Training) und Entspannungsverfahren. Sie alle dienen dem Patienten im Anschluss an die Therapie als Werkzeuge, um schwierige Situationen im Alltag zu meistern. 

Wie lange die Verhaltenstherapie dauert, hängt unter anderem von Art und Schwere der psychischen Störung ab. Spezifische Phobien lassen sich manchmal innerhalb weniger Sitzungen überwinden. Die Behandlung einer Depression hingegen kann sich über mehrere Jahre erstrecken. In der Regel umfasst eine Verhaltenstherapie aber 25 bis 50 Sitzungen.

Gesprächstherapie

Die Gesprächstherapie, auch klientenzentrierte oder personenzentrierte Therapie genannt, ist eine der häufigsten Formen der Psychotherapie. Sie gehört zu den sogenannten humanistischen Therapien, die davon ausgehen, dass der Mensch sich ständig weiterentwickeln und wachsen will. Im Gegensatz zu anderen Therapieformen konzentriert sich die Gesprächstherapie daher nicht auf die Probleme eines Patienten, sondern auf dessen Entwicklungspotenzial. Laut dem Konzept der Gesprächstherapie resultieren psychische Störungen häufig aus einer verminderten Selbstakzeptanz und Wertschätzung. Ziel der Gesprächstherapie ist es, dass der Patient mit Hilfe des Therapeuten sein eigenes Verhalten reflektiert und die in ihm angelegte Fähigkeit zur Selbstverwirklichung zurückerlangt. 

Die Gesprächstherapie wird erfolgreich bei Angst- oder Zwangsstörungen, Depressionen oder Abhängigkeitsstörungen angewandt. Bei psychotischen Symptomen sowie manchen Persönlichkeitsstörungen ist diese Therapieform dagegen eher ungeeignet, weil die Betroffenen keine Problemeinsicht haben. Die Gesprächstherapie ist auch dann nicht zu empfehlen, wenn die Person Schwierigkeiten hat, sich sprachlich auszudrücken oder über sich selbst zu reflektieren.

Die Gesprächstherapie wird zunächst entweder als Kurzzeittherapie von 12 Sitzungen oder als Langzeittherapie von bis zu 60 Therapiestunden beantragt.

Systemische Therapie

Die systemische Therapie, die ihren Ursprung in der Familientherapie hat, versteht psychische Erkrankungen als Folge einer Störung im sozialen Umfeld, wie familiären Strukturen oder dem Arbeitsumfeld. Gestörte Beziehungen oder ungünstige Kommunikationsmuster können die psychische Gesundheit einzelner Mitglieder dieses sozialen Systems beeinträchtigen. Der Fokus dieser Therapieform liegt darauf diese Beziehungsmuster zu analysieren, ungünstige Konstellationen zu identifizieren und durch gesunde Kommunikation und soziales Miteinander psychische Problematiken aufzulösen.

Hierzu erkundet der Therapeut welche Rollen die einzelnen Mitglieder im System einnehmen und welche Ressourcen diese mitbringen, bspw. die Fähigkeit gut zuzuhören. Oft werden Ressourcen falsch eingesetzt oder die Betroffenen sind sich über die Auswirkungen ihres Verhaltens innerhalb des Systems nicht bewusst. Verstehen sie diese Zusammenhänge, fällt es ihnen leichter, die Symptome zu bewältigen. Als Beispiel sei eine alleinerziehende Mutter mit Depressionen genannt, die Angst davor hat, dass ihr Sohn sie verlässt. Als Folge zieht dieser aus Sorge um seine Mutter auch im Erwachsenenalter nicht aus, obwohl er dies gerne würde. Man kann der Mutter keine böse Absicht unterstellen, dennoch schadet sie ihrem Nachwuchs unbewusst mit ihrem Verhalten.

Die systemische Therapie kann als Einzel-, Paar-, Familien- oder Gruppentherapie vorgenommen werden und gilt als wirksame Behandlungsoption für affektive Störungen wie zum Beispiel Depression, Essstörungen, Suchterkrankungen, Schizophrenie und psychosomatische Krankheiten. Sie erstreckt sich in der Regel über einige Monate bis hin zu einem Jahr.

Fazit

Welche Therapieform für Sie die passende ist, hängt neben der Art Ihrer Erkrankung von zahlreichen individuellen Faktoren sowie von Ihrer persönlichen Zielsetzung ab. Eruieren Sie gemeinsam mit Ihrem Therapeuten oder Psychiater die verschiedenen Möglichkeiten. Sollte eine ambulante Therapie nicht ausreichen, besteht zudem die Möglichkeit eines stationären oder teilstationären Klinikaufenthalts. Hier kommt in aller Regel eine Kombination der unterschiedlichen Therapieformen zum Einsatz.

Erfahren Sie mehr zu den Vor- und Nachteilen von ambulanter, stationärer oder teilstationärer Behandlung in unserem nächsten Blogbeitrag kommende Woche.