So nutzen Sie das Sommerloch produktiv und beugen einem Boreout vor
Wer kennt es nicht? Die Kolleginnen und Kollegen sind im Urlaub, das Team ist dezimiert, Lieferanten nur eingeschränkt erreichbar. Mitten im Sommer gerät der Workflow ins Stocken. Geht dann, wie so häufig, auch noch die Auftragslage zurück, ist es endgültig da: das Sommerloch. Was also tun, um nicht hineinzufallen?
Der Begriff Boreout leitet sich von dem englischen Wort „boredom“, übersetzt Langeweile, ab. Im Gegensatz zum Burnout, bei dem die Betroffenen sich überfordert fühlen, ähneln die Symptome eines Boreouts einer Unterforderung.
Anzeichen für ein Boreout sind Interesselosigkeit, Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Schwindel, Kopfschmerzen, Rückzug von Freunden und Familie, Angst und Depressionen. Häufig schweigen Betroffene darüber aus Angst, den Job zu verlieren.
Zu wenig zu tun? Kein Luxusproblem!
Plötzlich „wenig“ zu tun: So manch Berufstätiger schämt sich nach stressigen Zeiten mit großer Arbeitsbelastung schon fast dafür. Wer als beschäftigt gilt, bringt Leistung. Allzu oft geht in unseren Köpfen mit hoher Auslastung ein hohes Prestige einher. Und sowieso sollte man ja grundlegend froh sein, einen festen Job zu haben – denkt man sich.
Entsprechend häufig wird die hektische Geschäftigkeit vorgetäuscht, was wiederum im Inneren zu Stress und Anspannung führt. Dazu kommt die „Gefahr“, bei dieser Täuschung entdeckt zu werden und über dieses Verhalten in unangenehme Situationen mit dem Team und Vorgesetzten zu kommen. Denn häufig fehlt aus dem Umfeld das Verständnis für ein „Zuwenig“ an Arbeit.
Nichtstun macht produktiv
Dabei kann Nichtstun durchaus auch nützlich sein: Müßiggang ist eine wichtige Voraussetzung für Produktivität, das wissen Psychologen und Hirnforscher. Kinder entdecken durch Langeweile neue Interessen. Erwachsenen fallen beim Tagträumen gute Ideen ein, Studien belegen dies.
Die beiden Psychologen Benjamin Baird und Jonathan Smallwood untersuchten, wie sich Tagträumerei auf die Kreativität auswirkt.
Ihre Ausgangsthese: Die besten Sachen fallen einem bei Langeweile ein – etwa bei langen Zugfahrten. Ist das wirklich so?
Die Forschenden starteten eine Studie mit 145 Studierenden zwischen 19 und 32 Jahren. In zwei Minuten sollten sich die Studenten möglichst viele und ungewöhnliche Verwendungsmöglichkeiten für Ziegelsteine einfallen lassen. Danach teilten die Psychologen die Probanden in Gruppen ein:
- Eine Gruppe löste eine Konzentrationsaufgabe.
- Eine Gruppe arbeitete an der Aufzählung weiter.
- Eine Gruppe pausierte.
- Eine Gruppe bekam eine eintönige Aufgabe.
Nach etwa 15 Minuten sollten alle nochmals die Ziegelstein-Aufgabe lösen.
Und voilà: Die kreativsten Einfälle hatte die Gruppe, die sich zuvor mit langweiligen Aufgaben beschäftigt hatte. Sie schnitt sogar viel besser ab als die Gruppe, die nur pausiert hatte. Die Forschenden folgern: Unbewusst arbeiteten die Gelangweilten an der Problemlösung weiter – und fanden die innovativsten Lösungen.
Wie Sie Ihre Arbeitsstunden mit neuem Sinn füllen
Tagespläne und Tätigkeitslisten können dabei helfen, das eigene Empfinden zu objektivieren und zu ordnen. Werden Ihnen in diesem Zuge gleichzeitig eigene Stärken bewusster oder fallen Ihnen Potenziale zur Prozessoptimierung auf, können Sie gegebenenfalls mit Verbesserungsvorschlägen direkt zu Entscheidungsträgern gehen und somit eine Situationsveränderung bewirken.
Generell stellt die Suche nach Veränderungspotenzial eine Lösung für Unterforderung dar, die besonders im Sommerloch gut umgesetzt werden kann. So lassen sich entstandene Zeitfenster nutzen, ins Gespräch mit Kollegen und Vorgesetzten zu kommen, um Firmenabläufe zu optimieren, Tätigkeitsschwerpunkte im Team oder beim Einzelnen zu verändern oder neue Qualifikationen zu erwerben, die auch langfristig einer Unterforderung entgegenwirken und zugleich das Unternehmen voranbringen.
Sind Sie als Führungsperson selbst in der Position Prozesse in Gang zu setzen und Veränderungen vorantreiben zu können, bietet diese Phase der niedrigeren Auslastung gute Möglichkeiten, sich in dem kleineren Team der anwesenden Kollegen an neuen Arbeitsmethoden zu versuchen und innovative Ideen zu entwickeln.
Wenn das Sommerloch zum Dauerzustand wird, droht ein Boreout
Stellt der eigene Job, obgleich er wichtig oder verantwortungsvoll ist, ohnehin für Sie nur eine bedingte Herausforderung dar, verstärkt ein Sommerloch die Gefühle von Untätigkeit und Unterforderung häufig. Doch nicht immer liegt die Langeweile am sommerlichen Leerlauf.
Monotonie und permanente Unterforderung durch mangelnde inhaltliche oder intellektuelle Herausforderung demotivieren Sie auf lange Sicht nicht nur, sie verändern auch Ihr allgemeines Denken und Handeln. Werden sie nicht gebraucht, gehen Fähigkeiten wie Flexibilität und Schnelligkeit verloren, der Blickwinkel verengt sich und die Konzentration schwindet. Zudem kosten die Selbsttäuschung und Täuschung der Kollegen Kraft, Unsicherheit stellt sich ein, das Selbstvertrauen schwindet.
Ähnlich wie beim Burnout durch Überlastung sorgt somit schließlich auch eine dauerhafte Unterforderung für Stress in Ihrem Körper, was bei zusätzlichen hormonellen Ungleichgewichten zu Depressionen und anderen Beschwerden führen kann.
Wie Sie ein Boreout aufhalten
Auch in diesem Fall kann die Suche nach Veränderungspotenzial eine Lösung darstellen, um zukünftiger Langweile vorzubeugen. Besteht dieses nicht oder sind Veränderungen seitens des Arbeitgebers nicht erwünscht, sollten Betroffene auch eine berufliche Veränderung in Betracht ziehen und gegebenenfalls das Unternehmen wechseln. Zuvor ist es jedoch sinnvoll, Ihre Situation offen und ehrlich anzusprechen. Sprechen Sie mit Vorgesetzten und Kollegen, wenn Sie das Gefühl unzureichender Tätigkeit haben oder sich nicht genug gefordert fühlen. Vermeiden Sie, so zu tun, als wären Sie stark beschäftigt, wenn Sie es nicht wirklich sind. Haben Sie Bedenken, wenden Sie sich an Vertrauenspersonen im Unternehmen, denen Sie die Problematik ehrlich schildern. So können Sie die Entstehung von einem Boreout aufhalten und letztlich wieder eine glücklichere Basis für die Arbeit – auch nach dem Sommerloch – fördern.
Wenn Sie den Verdacht hegen, bereits ein Boreout entwickelt zu haben, oder sollten auch neutrale Personen eine Veränderung bei Ihnen bemerkt haben, ist das Gespräch mit dem Arzt meist unumgänglich, um wieder in ein verbessertes Lebensgefühl auf der Arbeit und auch im Privatleben zu finden. Scheuen Sie sich nicht, Themen wie Unterforderung, Langeweile und Perspektivlosigkeit anzusprechen, um zeitig die psychische Gesundheit zu schützen oder wiederherzustellen.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 31. August 2021 und wurde überarbeitet.