Rund 25 Prozent aller Deutschen erkranken jährlich an Depressionen, Burnout, Angststörungen und anderen psychischen Erkrankungen. Ebenso wie bei körperlichen Beschwerden ist rasche professionelle Hilfe sinnvoll und oft notwendig. Die beiden wichtigsten Behandlungssäulen sind Psychotherapie und Medikamente. Beides ist nachweislich wirksam, doch bei Betroffenen oft auch mit Ängsten und Vorurteilen behaftet: Werde ich von Psychopharmaka abhängig? Kann ich mit Stimmungsaufhellern wirklich meine Depression behandeln? Verändern die Pillen meine Persönlichkeit? Und was bringen lange Gespräche mit einem „Seelenklempner“, wenn ich einfach nur ausgebrannt bin?
Psychotherapie und Medikamente bewirken Veränderungen im Gehirn
Ob Psychotherapie oder Medikamente: Beide Therapieoptionen haben in der modernen Medizin ihre Berechtigung und sind wissenschaftlich gut erforscht. Und in beiden Fällen sind neurobiologische Veränderungen im Gehirn nachweisbar, wie eine groß angelegte Studie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München (MPI) gezeigt hat. [2] Unterschiedlich sind nur die Wege, auf denen das erreicht wird: entweder durch Gespräche mit einem Therapeuten oder durch pharmakologische Wirkstoffe, die direkt in komplexe neurophysiologische Vorgänge eingreifen. Am nachhaltigsten wirkt in den meisten Fällen eine Kombination aus medikamentöser Behandlung (beispielsweise mit Stimmungsaufhellern) und Psychotherapie.
Was ist eine Psychotherapie und wie läuft sie ab?
Psychotherapien können einzeln oder in der Gruppe stattfinden und nach unterschiedlichen Methoden erfolgen. Die beiden wahrscheinlich bekanntesten Verfahren sind die kognitive Verhaltenstherapie und die tiefenpsychologische Therapie. In der Verhaltenstherapie geht man pragmatisch und lösungsorientiert vor: Therapeut und Klient erarbeiten – vereinfacht gesprochen – gemeinsam Techniken, um Stimmung, Denkmuster und Verhaltensweisen aktiv zu verändern. Tiefenpsychologisch orientierte Therapien zielen eher darauf ab, problematische Beziehungserfahrungen zu verarbeiten und tiefsitzende emotionale Konflikte zu lösen. Dadurch soll der Klient nach und nach seine innere Freiheit zurückgewinnen. Welche Methode für Sie persönlich besser ist, die Angststörung oder Depression zu behandeln, hängt auch von Ihren Symptomen, Lebensumständen und Erwartungen ab.
Neben klassischen Gesprächstherapien kommen heute immer häufiger auch non-verbale Therapien wie Kunst-, Musik-, Tanz, Körper- oder Gestaltungstherapie zum Einsatz. Diese Therapieformen helfen, schwer benennbare Gefühle auszudrücken, nutzen kreative Potenziale und verschaffen auch auf sinnlich-körperlicher Ebene Erleichterung.
Mit welchen Medikamente lassen sich Angst oder Depression behandeln?
Bei Medikamenten (Psychopharmaka) können Ärzte heute auf eine breite Palette nachweislich wirksamer und erprobter Präparate zurückgreifen. Zu den wichtigsten zählen:
- Antidepressiva (Stimmungsaufheller)
- Phasenprophylaktika (Stimmungsstabilisierer)
- Antipsychotika/Neuroleptika (Mittel u.a. gegen Psychosen)
- Anxiolytika/Tranquilizer/Hypnotika (Beruhigungs- und Schlafmittel)
Antidepressiva
Um eine Depression zu behandeln, sind neben einer möglichen Psychotherapie Antidepressiva (Stimmungsaufheller) häufig das Mittel der Wahl. Diese können – je nach Wirkstoff – zusätzlich antriebssteigernd, aber auch angstlösend und beruhigend wirken. Oft setzt man Antidepressiva auch begleitend zur Behandlung von Angststörungen und Zwangsstörungen, Erschöpfungszuständen (Burnout), Essstörungen oder bei psychosomatischen Beschwerden ein.
Phasenprophylaktika
Manche Patienten leiden unter einer bipolaren Störung, bei der sich depressive Episoden mit Phasen übersteigerter Stimmung (Manie) abwechseln. Diese Art der Erkrankung lässt sich mit Phasenprophylaktika (Stimmungsstabilisierern) gut in den Griff bekommen.
Neuroleptika
Neuroleptika (Antipsychotika) setzt man bei Schizophrenie und anderen psychotischen Erkrankungen ein. Sie wirken gegen Symptome wie Stimmenhören oder Halluzinationen. Auch für Patienten mit schweren Schlafstörungen sind Neuroleptika manchmal nützlich, weil sie dämpfend auf das Zentralnervensystem wirken. Ergänzend werden Neuroleptika auch manchmal zur Depressionsbehandlung eingesetzt.
Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil verändern Psychopharmaka nicht die Persönlichkeit! Manche Patienten erleben es im Gegenteil eher so, dass die Krankheit ihre Persönlichkeit verändert. Therapeutische Maßnahmen – sei es Psychotherapie oder Medikamente – helfen ihnen dabei, wieder ganz „sie selbst“ zu werden. Auch machen Antidepressiva nicht süchtig, selbst man sie über längere Zeit nimmt. Ein Abhängigkeitsrisiko besteht nur bei bestimmten Beruhigungs- und Schlafmitteln, die für den kurzzeitigen Einsatz in Krisensituationen gedacht sind.
Psychotherapie oder Medikamente: Welche Vor- und Nachteile sind zu bedenken?
Fest steht: Psychotherapie verlangt Ihnen als Patient mehr Einsatz ab als Pillen zu schlucken. Mit einem Zeitaufwand von zumindest einigen Monaten bei einer wöchentlichen Sitzungsfrequenz sollten Sie rechnen. Damit die Therapie hilft, ist außerdem Ihre aktive Mitarbeit erforderlich – sowie die Bereitschaft, sich auch mit schwierigen und emotional belastenden Themen auseinanderzusetzen. Dafür erlernen Sie in einer Psychotherapie Strategien, die Ihnen auch künftig bei der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen helfen. Erfolgreiche Psychotherapien wirken daher langfristiger und nachhaltiger als Stimmungsaufheller allein.
Umgekehrt haben Medikamente den Vorteil, dass sie in akuten Krisensituationen relativ rasch und zuverlässig Erleichterung verschaffen. Der erste Verbesserungsschub, der nach einer Medikamenteneinnahme eintritt, kann gerade schwer depressiven Patienten Hoffnung vermitteln. Um eine mittelschwer bis schwer ausgeprägte Depression zu behandeln, raten Ärzte daher meist zu einer Kombination von Medikamenten und Psychotherapie. Auch bei Psychosen wie einer Schizophrenie kommt man in der Regel nicht ohne Medikamente aus.
Eines vermögen Stimmungsaufheller jedoch nicht: Belastungen beseitigen, die zur aktuellen Krise beigetragen haben, z.B. schwierige Situationen in Beruf oder Partnerschaft. Oft ist die Veränderung krankmachender Lebensumstände aber eine wichtige Voraussetzung, um auf Dauer psychisch stabil zu bleiben.
Ein zentrales Entscheidungskriterium für oder gegen Medikamente stellen für viele Patienten mögliche Nebenwirkungen dar. Doch auch Psychotherapien können Nebenwirkungen haben! Mehr über dieses wichtige Thema erfahren Sie in den beiden weiterführenden Artikeln.