Sex, Drugs & Rock ’n‘ Roll, das waren die berühmten Schlagworte einer ganzen Generation in den 1960er und 70er Jahren. Psychoaktive Substanzen wie LSD galten als Möglichkeit zur Bewusstseinserweiterung und wurden begeistert konsumiert. Jahrzehnte später untersuchen klinische Studien heute Psychedelika als Therapeutikum bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Eine große Hoffnung in deren Therapie ist Psilocybin. Ein Trip mit Magic Mushrooms als neue Hoffnung für schwer depressiv Erkrankte?
Bei rund einem Drittel depressiv erkrankter Menschen schlagen weder Pharmako- noch Psychotherapie ausreichend an (lesen Sie hier mehr zu Therapieresistenz). Jüngere Antidepressiva bringen zwar teils weniger Nebenwirkungen mit sich, doch die Entwicklung neuer erfolgsversprechender Substanzen stagniert. Hier kommt die Therapie mit Psilocybin ins Spiel; ein Ansatz zum Lösen antidepressiver Mechanismen, der derzeit in der Fachwelt lebhaft diskutiert wird. Dabei geht es um Substanzen, die seit Jahrtausenden von Menschen konsumiert werden. Die Azteken nannten Magic Mushrooms das „Fleisch der Götter“ und verwendeten sie bei schamanischen Ritualen.
Im Zuge der Synthetisierung von LSD in den 1950er Jahren wurden psychedelische Substanzen dann zum Gegenstand ernsthafter medizinischer Forschung in der westlichen Welt. Neuere Studien setzen nun da an, wo Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre der “War on Drugs” durch Verbote ein Weiterführen der Experimente unmöglich machte. Vielleicht haben Sie schon den Begriff „Magic Mushrooms“ gehört? Vor allem deren Wirkstoff Psilocybin steht im Mittelpunkt aktueller Untersuchungen zur Therapie von Depressionen, Zwängen und Angsterkrankungen. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesen „Zauberpilzen“?
Halluzinogene Pilze: Was ist Psilocybin?
Das Thema Psilocybin bei Depressionen erfordert für Laien oft erst einmal eine Begriffserklärung. Psilocybin ist ein sogenanntes Indolalkaloid, das in psychoaktiv wirkenden Pilzen vorkommt. Halluzinogene Pilze, auch Psilos, Magic Mushrooms, in Österreich dialektisch auch als narrische Schwammerl bezeichnet, gehören zur Gattung der Psilocybe und sind weltweit verbreitet. Indolalkaloide aus der chemischen Gruppe der Tryptamine findet sich in einigen Pilzarten, dazu zählen auch die als Kahlköpfe bezeichneten Arten. Die Geschichte der Verwendung dieser psychoaktiven Sorten geht sehr weit zurück: Erste Funde datieren zurück bis ins Jahr 1000 bis 500 v. Chr. Von westlichen Forschern “entdeckt” wurde Psilocybin bei religiösen Ritualen in den Mixeteco-Bergen im heutigen Mexiko. Es waren die Naturvölker, die in Mittel- und Südamerika heilige Pilz-Zeremonien zelebrierten.
Warum lässt sich Psilocybin in der Therapie von Depression einsetzen?
Es sind die sogenannten Serotonin-Rezeptoren, die bei der Wirkung von Psilocybin in der Therapie eine wichtige Rolle spielen. Denn sowohl Psilocin als auch Psilocybin und LSD enthalten in ihrer chemischen Struktur das gleiche Indol-Grundgerüst, das so auch in dem körpereigenen Neurotransmitter Serotonin “verbaut” ist. Deswegen gelingt es diesen psychedelischen Substanzen in unserem Gehirn an Serotonin-Rezeptoren anzudocken. Infolgedessen wird das Gehirn stark stimuliert; Impulse schießen hin und her; es werden neue Verbindungen zwischen Gehirnarealen hergestellt, die sonst wenig miteinander kommunizieren.
Doch Psilocybin wirkt nicht nur auf das “Glückshormon” Serotonin, sondern auch auf den Thalamus. Dieser Gehirnteil filtert in unserem Alltag ständig Eindrücke, um uns nicht zu überfordern. Unser dem Einfluss der genannten psychoaktiven Substanzen aber wird der Thalamus in seiner Funktion gehemmt: Er filtert weniger und leitet viel mehr Informationen weiter, besonders in Areale, die für sensorische Eindrücke und Gefühle zuständig sind. Die Folge: Wir nehmen uns selbst und Sinneseindrücke aus der Umwelt wesentlich intensiver wahr – und halluzinieren womöglich optisch und akustisch.
Psilocybin als Schlüssel zum Unbewussten
Genau diese Art der Erfahrung macht Psilocybin in der Therapie von Depressionen für Forschende so vielversprechend. Einerseits wird unser Gehirn durch neue Verbindungen neu “verschaltet”, ganz andere Perspektiven tun sich plötzlich auf. Andererseits kann die bewusstseinserweiternde Wirkung dieser psychoaktiven Substanz als Türöffner zu tief verborgenen Traumata fungieren und Zugang zur blockierten Gefühlswelt von Patienten schaffen. Kleine Dinge, Erinnerungen und Gedanken können in dieser Erfahrung als Katalysator wirken: Wie ein Kiesel, den man in ruhige Gewässer wirft und eine positive Kettenreaktion auslöst. Ganz neue Lebensperspektiven ziehen nach und nach ihre Kreise wie die Ringe des Wassers.
Oft wird solch ein Trip, ob mit Magic Mushrooms oder LSD, als spirituelle Erfahrung beschrieben. Doch die Mechanismen greifen ebenso für negative Gefühle wie extreme Ängste, mit denen sich der Proband plötzlich konfrontiert sieht. Das muss nicht zwangsläufig einen “Bad Trip” bedeuten. Auch eine negative Erfahrung unter dem Eindruck von Psychedelika kann durch die Freilegung dieser Gefühle/Konflikte eine wichtige Grundlage für die weitere therapeutische Arbeit schaffen.
Welche Studien zu Psilocybin bei Depressionen gibt es?
In Studien gewonnene klinische Daten zu einer Psilocybin-basierten Therapie legen bereits eine Wirksamkeit bei therapieresistenten Depressionen nahe. An der Charité Berlin und dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim wird unter der Leitung von Prof. Dr. Gründer eine noch laufende Studie mit 144 Probanden durchgeführt, bei denen herkömmliche Therapieformen mit Psychotherapie und der Einsatz von Antidepressiva bisher keine signifikanten Erfolge erzielen konnten. Die „Trips“ mit der psychoaktiven Substanz Psilocybin fanden in den Räumlichkeiten der Institute in einer angenehmen, hotelzimmerähnlichen Umgebung und unter der Begleitung mehrerer Therapeuten statt. Zwei Sitzungen mit jeweils einem Placebo und einer einmaligen Gabe des Psychedelikums Psilocybin bildeten die Grundlage für erste veröffentlichte Forschungsergebnisse.
Zusammen mit der Forschungsgruppe um Prof. Matthias Liechti wurden vom klinischen Forschungsbereich für substanzgestützte Therapie der Medizinischen Fakultät an der Universität Basel wurden am Universitätsspital Basel bereits mehrere Untersuchungen zur potentiell heilenden Wirkung von Psychedelika durchgeführt, auch zu LSD als Therapeutikum bei einer Major Depression. Aktuell läuft eine komparative Studie mit 30 gesunden Probanden, im Rahmen derer die Wirkung von LSD, Psilocybin, Meskalin und Placebos verglichen wird. Auch an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin des Uniklinikums Zürich forscht man rege zu Psilocybin, hier allerdings zur Therapie von Alkoholabhängigkeit.
Hier finden Sie weitere Studien:
Psilocybin als Therapie: Welche Ergebnisse liefern die Studien?
Bei einigen Patienten zeigte sich bereits eine signifikante Verbesserung der depressiven Symptome, andere wiederum konnten durch den begleiteten Einsatz von Psilocybin bei Depression nur eine geringe oder gar keine Wirkung feststellen. Wichtig ist hier zu wissen, dass die Forschungsergebnisse auf einer einmaligen Gabe der psychoaktiven Substanz Psilocybin beruhen. Neue Verknüpfungen im Gehirn ermöglichen einen heilsamen Zugang zu problematischen Denkmustern, der mittel- bis langfristig wirksam sein könnte. Dabei gilt: Eine nachfolgende Begleitung in Form einer psychotherapeutischen Behandlung ist nach einer Psilocybin-Therapie nahezu unverzichtbar. Und bei einem wichtigen Punkt sind sich die Forscher der teilnehmenden Institute einig: Es bedarf einer mehrmaligen Gabe von Psilocybin bei Depression, um dauerhafte Verbesserungen oder gar Heilungen zu ermöglichen. Weitere Forschungen mit einem erweiterten Zyklus sind daher unumgänglich.
Welche Risiken birgt die Therapie mit Psilocybin?
Nicht bei jedem Menschen ist eine positive Wirkung der psychoaktiven Substanzen garantiert. Manche können auf die Gabe von Psilocybin andauernde Wahrnehmungsstörungen entwickeln. Auch Angststörungen zählen zu den seltenen Risiken einer Psilocybin-gestützten Therapie bei Depressionen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Faktor der zu hohen Erwartungen, weshalb eine gründliche Aufklärung und engmaschige Betreuung durch erfahrene Therapeuten besonders wichtig ist. Wenn Sie oder einer Ihrer Angehörigen als Patient für eine Verabreichung von Psilocybin in Frage kommen sollte, gilt es also zu bedenken, dass diese Behandlung in den seltensten Fällen eine sofortige Heilung ermöglicht. Eine auf den im “Trip” gemachten Erfahrungen aufbauende Psychotherapie, die sich der Aufarbeitung der Erlebnisse widmet, ist daher unverzichtbar.
Süchtig machen Psilocybin und Psychedelika im Übrigen nicht. Zum einen wird das Dopaminsystem nicht stimuliert, wodurch ein “Belohnungseffekt” ausbleibt. Zum anderen ist ein Trip körperlich und psychisch anstrengend, sodass sich der Wunsch nach Wiederholung in Grenzen hält. Drittens werden bei einem Trip die Serotonin-Rezeptoren derart überstimuliert, dass sie sich in der Folge temporär zurückziehen und so gegen eine Wiederholung “schützen”. Eine erneute Psilocybin-Einnahme nach kurzer Zeit hätte also keinen Effekt.
Fazit
Die neuesten Studien zur Behandlung mit Psilocybin bei Depression geben Anlass zur Hoffnung, die Ergebnisse sind aber nicht so bahnbrechend positiv wie von manchen erwartet. Erst wenn erweiterte Studienzyklen mit deutlich mehr Probanden und mehrmaliger Gabe des Psychedelika durchgeführt wurden, kann die neue Therapieform verlässlicher eingeordnet werden. Infrage kommt neben der Behandlung bei therapieresistenten Depressionen auch eine Erweiterung der Krankheitsbilder auf Zwangsstörungen oder Suchterkrankungen. In der Schweiz bereits legal angewendet, müssen sich Betroffene in Deutschland noch einige Zeit in Geduld üben. Bis es so weit ist und verlässliche Daten dazu vorliegen, ob Psilocybin perspektivisch bei Depression als anerkannte Therapieform zum Einsatz kommt, gibt es aber weitere Möglichkeiten, die erprobt sind und wirksam sein können, selbst bei behandlungsresistenten Depressionen. Aktuell gilt neben Psilocybin auch Ketamin als ein Hoffnungsträger für schwer Erkrankte und deren Angehörige.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mein Leben lang, kämpfe ich mit meiner bipolaren Störung, keiner konnte mir bis jetzt helfen! Habe über psychedelische Behandlungen gelesen. Bin in Österreich wohnhaft und hier gibt es keine dieser Möglichkeiten! Lg Hermann Kern
Herzlichen Dank für den kurzen Einblick in diese neue Therapieform. Depressionen begleiten mich, ebenso wie eine medikamentöse nicht behandelte ADHS-Erkrankung, schon seit meiner Kindheit. Mal mehr, mal weniger intensiv ausgeprägt. Ich habe schon sehr viele Wirkstoffe gegen meine Depressionen ausprobiert. Keines davon haben eine signifikante Besserung gebracht. Im Gegenteil, ich bin temporär bei Alkohol und Benzodiazepine gelandet. Inzwischen bin ich mir darüber bewusst, dass beides meine Depressionen nur noch verschlechtert hat. Derzeit versuche beide (im Grunde ja drei) Erkrankungen durch verhaltenstherapeutische Schemeta in den Griff zu bekommen. Teilweise sehr anstrengend. Auch gegen den, immer mal wiederkehrenden Suchtdruck anzukämpfen, kostet viel Energie. Darum habe ich mit großem Interesse dem Artikel entnommen, dass auch im Bereich der Sucht geforscht wird. Ich werde mich jetzt definitiv mehr damit auseinandersetzen. Zumal ich grenznah zur Schweiz wohne. Vielen Dank für die Links zu den Studien.
Ich leide seit je her an ADHS und leider war es viele Jahre trotz meines Wissen unbehandelt wodurch meine Symptomatik der Depressionen immer stärker wurden und mich heute mehr als an meine Grenzen bringt.
Ich weiß aus frühere Zeit und naja einem guten Freund (Psychologe) das mir damals das Psilocibin mehr geholfen hat als alles andere, ich hatte nie darüber nachgedacht, bis ich in medikamentöse Behandlung für mein ADHS ging und es zur Sprache kam…
Ich bin mittlerweile so verzweifelt endlich wieder zu mir zu finden, für meine Kinder,für mich das ich heulen könnte, das es in Deutschland nicht ansatzweise die Möglichkeiten gibt… und wenn ich sehe wie sehr sich psychische Krankheiten ausweiten und immer mehr werden trotz ach so toller Medikamente ( die als Nebenwirkungen genau das mitbringen wieso man sie nimmt) wird mir schlecht… alles auf Kosten des Patienten (geldesel der pharmazie und ärzte) geholfen wird den wenigsten wirklich die schon alles an medis durchlaufen haben👍🏻
Ich hoffe es ändert sich
Vielen Dank für Ihr offenes Feedback. Wir können nachvollziehen, was Sie derzeit durchleben – der Kampf gegen Depressionen ist ein mühsamer und häufig müssen verschiedenste Therapiewege durchlaufen werden, um ans Ziel zu gelangen. Wir bedauern, dass die medikamentöse Behandlung bei Ihnen nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat. Aus Erfahrung wissen wir jedoch, dass zahlreiche Patienten durch die fachgerechte Behandlung mit Psychopharmaka eine Linderung ihrer Beschwerden erleben durften. Wie so oft im Leben gilt auch hier: Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Umso besser, dass nun Hoffnung auf einen weiteren vielversprechenden Behandlungsansatz besteht. Sprechen Sie doch Ihren Arzt bei Gelegenheit auf diese neue Möglichkeit an.
Wir wünschen Ihnen viel Kraft, um zurück zu alter Stärke zu finden!
Ihr Team der Schlossparkklinik Dirmstein
Ich finde es sehr beeindruckend, welche Wege Mediziner inzwischen gehen. Sehr interessant für mich. Lebe mein ganzes Leben schon mit immerwiederkehrenden Depressionen. Es war ein ständiger Kampf, Verstecken. Leider war es lange ein Manko. Man hat nicht darüber gesprochen bzw. wurde belächelt. Als Mensch habe ich viel Einsamkeit erlitten. Musste irgendwann meinen Beruf aufgeben und in die Erwerbsminderungsrente. Seit über 10 Jahren kämpfe ich mich aus einem tiefen Loch. Es hat viele Veränderungen gebracht. In Mini kleinen Schritten. Z.Zt
versuche ich eine Verbesserung im Neurofeedback zu finden.
Ich freue mich sehr, dass inzwischen über Depressionen gesprochen und geforscht wird. Danke