Malen, töpfern, filzen für mehr Unabhängigkeit, Lebensqualität und Betätigungsbalance. Wie passt das zusammen? Nun, auf den ersten Blick gar nicht. Doch ein zweiter Blick lohnt sich. Denn ergotherapeutische Maßnahmen sorgen für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Produktivität und Erholung. Vorausgesetzt, man lässt sich darauf ein.

Stress reduzieren, neue Problemlösungen entwickeln und mehr Handlungsfreiheit und Produktivität für das eigene Leben gewinnen – darauf zielt diese Therapieform ab. Wie relevant gerade der erste Punkt ist, zeigt eine aktuelle Studie von Statista: Rund zwei Drittel der Deutschen sind regelmäßig gestresst. Neben körperlichen Symptomen wie Zittern und Herzrasen verringert Stress auch die Leistungsfähigkeit, schränkt die Kompetenz ein, Herausforderungen mit neuen Ansätzen zu begegnen und kann zu Depressionen, Burnout und Angststörungen führen. Betroffene fühlen sich, als würden sie in ihrem Leben nicht vorankommen und als wären ihre Handlungen grundsätzlich fremdbestimmt. Ergotherapeutische Maßnahmen haben deswegen zum Ziel, dem Patienten eine möglichst selbstständige und unabhängige Teilnahme am Alltag zu ermöglichen und seiner gesellschaftlichen Isolation vorzubeugen.

Laut dem ergotherapeutischen Verständnis handelt der Mensch, um seine Lebenszeit sinnvoll zu nutzen. Die Arbeit hat dabei einen hohen Stellenwert, da hier ein Beitrag zum gesellschaftlichen Leben geleistet wird. Ebenso gibt Fortschritt einen Lebenszweck. Dazu zählen sowohl die persönliche Weiterentwicklung, etwa durch das Lernen und Verbessern neuer Fähigkeiten, sowie weltliche Progression wie durch Globalisierung und Künstliche Intelligenz. Für die ergotherapeutische Balance ist es jedoch entscheidend, dass nicht nur fremdbestimmte Tätigkeiten Lebensinhalt sind, sondern auch selbstbestimmte. Handelt der Mensch nur nach dem Willen anderer oder für die Bedürfnisse anderer Menschen, hat er ein erhöhtes Krankheitsrisiko.

Stresshormone wie Cortisol steigen im Körper an und führen zu Zittern, beschleunigtem Herzschlag, Schweißausbrüchen, Verspannungen in Nacken und Schultern, verminderte Leistungsfähigkeit, Erschöpfung, Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden.

Ergotherapeutische Maßnahmen spielen nicht nur für die körperliche Gesundheit, sondern auch für die Unterstützung der mentalen Gesundheit eine entscheidende Rolle. Gezielte Interventionen und therapeutische Ansätze helfen, effektive Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln. Dies umfasst sowohl die Identifikation von Stressoren als auch die Förderung gesunder Bewältigungsmechanismen. Zusätzlich hilft die Therapie dabei, neue Interessen als Ausgleich und Stressabbau zu finden oder alte zu reaktivieren.

Ergotherapeutische Maßnahmen befähigen, Eigenverantwortung zu übernehmen

„Gesund durch Aktivität“ lautet ein Leitsatz in der Ergotherapie. Ziel ist es, beispielsweise depressive Patienten zu aktivieren und so ihre Antriebsschwierigkeiten und Motivationslosigkeit zu bekämpfen. Das funktioniert jedoch nur, wenn die Menschen Eigenverantwortung für ihre Genesung übernehmen. Oder kurz gesagt: Sie müssen mitmachen.  

In der Schlossparkklinik Dirmstein sind Kreativtherapien wie Malen, Töpfern und Filzen eng eingebunden in die Psychotherapie. Die Patienten erschaffen etwas mit ihren Händen und drücken so  aus, was ihnen auf der Seele liegt. Verstehen, gestalten und verändern – das gilt sowohl für das Material als auch für die Perspektive auf traumatische Ereignisse. Beim Tonen verändert sich die Form durch gezielte Eingriffe – ein bewusster Akt der Kontrolle und Gestaltung. Ebenso lässt sich die seelische Verfassung durch Kreativität formen. Dieser Prozess bringt nicht nur greifbare Figuren hervor, sondern auch abstrakte Werke, die Transformation und Ausdruckskraft sichtbar machen.

Jeder Prozess und jede Sitzung ist anders und führt immer zu unerwarteten Ergebnissen. Geredet wird nur im Vor- und Nachgespräch. Während der Therapie ist es still. Es geht darum, sich auf den Prozess einzulassen und etwas Neues auszuprobieren. Durch die körperlichen Übungen werden sowohl schwierige Themen bearbeitet als auch Ressourcen aufgebaut. So kann Energie aufgetankt werden. In regelmäßigen Sitzungen kommen die Patienten so wieder in ihre Betätigungsbalance, d. h. in ein ausgewogenes Verhältnis von Anspannung und Entspannung.

Darüber hinaus gibt es kleine Alltagstipps, die helfen, zu viel und zu wenig tun im Gleichgewicht zu halten.

     

      • Nein sagen: Finden Sie heraus, bei welchen Aktivitäten Sie sich gut fühlen und wo nicht. Welche geben Ihnen Sinn und wo fühlen Sie sich fremdbestimmt? Haben Sie Möglichkeiten, Handlungen auszulagern oder um Hilfe zu bitten, wenn sie Energie kosten?

      • Durchatmen: Schaffen Sie sich eine Tagesstruktur mit Pausen. Lernen Sie, sich zu entspannen. Versuchen Sie es beispielsweise mit Meditation, Atemübungen oder Yoga. Machen Sie bewusst auch mal nichts Strukturiertes, sondern lassen Sie sich zeitweise treiben.