Karriere, Termine, Care-Arbeit, Haushalt: der Mental Load von Frauen ist hoch – so hoch, dass Frauen 1,6 Mal häufiger Symptome eines Burnouts zeigen. Viele sehen dieses Syndrom noch immer als stressbedingte Großwetterlage sehen, die sich auf alle niedersenken kann. Doch das ignoriert, wie stark individuelle Belastungen von gesellschaftlichen Rollen abhängen.
Was bedeutet Mental Load?
In Anlehnung an die “Cognitive Load Theory” aus der kognitiven Psychologie beschreibt der Begriff des Mental Load die mentale Belastung durch das Erledigen alltäglicher Aufgaben, dem Antizipieren der Bedürfnisse anderer und die damit einhergehende Verantwortung. Das trifft vor allem Frauen, die laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über 50 Prozent mehr Care-Arbeit, also unbezahlte Sorgearbeit leisten als Männer (in der aufgewandten Zeit bemessen). Diese Ungleichheit wird auch als Gender Care Gap bezeichnet.
Wie der Mental Load von Frauen durch Care-Arbeit steigt
Mit der Familie steigt auch die mentale Belastung: Viele Aufgaben sind zu erfüllen, sich wiederholende Abläufe zu organisieren. Vor allem Frauen, die täglich den Bärenanteil der anfallen Care-Arbeit leisten, kümmern sich um vermeintliche Kleinigkeiten wie diese: Kinderkleidung ist zu klein geworden, beschädigt und entspricht nicht mehr der aktuellen Jahreszeit.
Neben der konkreten Erledigung von Aufgaben zahlt auf den Mental Load außerdem ein, alles auch in seiner Veränderlichkeit stets im Blick behalten zu müssen: vom Organisieren der Geburtstage bis zu Terminen für den Arztbesuch, Klavierunterricht und Fußballtraining. Und das, ohne dabei die Bedürfnisse der anderen Familienmitglieder aus dem Auge zu verlieren: Kleinkinder müssen vier- bis fünfmal am Tag essen und sind zu bestimmten Tageszeiten etwa zu müde für die ein oder andere Aktivität; der Partner bittet indes abends um Zweisamkeit und Zuwendung. Alles selbstverständlich.
Unbezahlte Arbeit auch im Job
Diese Mehrarbeit wird oft auch als Invisible Work bezeichnet:
- Sie wird von niemandem wahrgenommen.
- Sie wird nicht bezahlt.
- Sie wird nicht wertgeschätzt.
- Sie ist bei Ausfall von Frauen zunächst nicht ersetzbar.
Invisible Work gibt es aber nicht nur im Privaten. Auch im Beruf neigen Männer dazu, Zusatzaufgaben an Frauen zu delegieren, die oft nicht einmal in deren Aufgabenbereich liegen.
„Bringst du mir auch einen Kaffee mit?“
„Wenn du zum Kopierer gehst, machst du das mit für mich?“
„Sie können heute sicher etwas länger bleiben?“
„Kümmern Sie sich doch bitte um das Catering für die Vorstandssitzung.“
Viele nehmen sich solcher Bitten an, weil sie der gesellschaftlichen Erwartungshaltung (so unpassend diese sein mag) entsprechend höflich sein wollen, aber auch aus der Befürchtung heraus, sich anderenfalls beruflich etwas zu verbauen. Manche mögen sogar einen Aufstieg in Aussicht gestellt bekommen, wenn sie sich auch noch dieses oder jenes Projekts annehmen.
Wie die Rolle der Frau zur Burnout-Gefahr wird
Wenn Frauen diese Rolle verinnerlichen, führt das zu einem hohen Mental Load auch am Arbeitsplatz. Die für sie gewohnte Care-Arbeit macht sie sogar noch empfänglicher für solche Aufträge und steigert die Gefahr des Ausbrennens weiter. Dabei können sich nicht nur die Burnout-Symptome der Frau durchaus von denen bei Männern unterscheiden, auch ihr Weg in die Krankheit ist unter dem hier eingenommenen Blickwinkel rollendefiniert. Die Anzeichen dafür verdienen daher eine besondere Betrachtung.
Die Techniker Krankenkasse ermittelte 2021 durch eine Studie, dass sich jede dritte Frau gestresst fühlt, dagegen nur jeder fünfte Mann. Die Wahrscheinlichkeit eines Burnout-Syndroms ist für Frauen deutlich größer, vor allem bei einer Doppelbelastung durch Beruf und Familie. Der erhöhte Mental Load durch Care-Arbeit erklärt deren größere Gefährdung für ein Ausbrennen auch dann noch, wenn Partner oder Kinder zur Mitarbeit bereit sind. Denn diese müssen von der Frau und Mutter meist erst aktiviert und angeleitet werden. Hier resignieren Frauen mitunter zu früh und bilanzieren: Dann mache ich es lieber selbst.
Die mentale Belastung verringert sich also nur, wenn anteilige Arbeit von Partnern und Kindern selbständig verantwortlich und sachgerecht geleistet wird. Erst dann können Frauen vertrauen und diese Aufgaben auch mental abgeben.
Warum sich Burnout-Symptome bei Frauen anders zeigen
Die Burnout-Symptome der Frau können folgerichtig anders als bei Männern auftreten: Im Funktionsmodus „Beruf, Haushalt, Kinder“ ignorieren weibliche Personen meist ihre Körpersymptome. Männer hingegen nehmen Körpersignale, meist eine Herz-Kreislaufthematik, als Warnzeichen ernst und gehen schneller als Frauen in den sozialen Rückzug. Dies stellt kurzzeitig einen Schutzfaktor dar, den Frauen sich meist nicht erlauben können; sie fühlen sich und sind auch de facto für den reibungslosen Ablauf zuhause oft unentbehrlich.
Frauen sollten darum besonders auf diese Symptome achten:
- ein antreibender Dauerdruck (die amerikanische Biochemikerin Dr. Libby Weaver spricht von „Rushing Women Syndrom“)
- ständige Erschöpfung und Konzentrationsschwäche bei gleichzeitiger Schlafstörung
- gesteigerter Kaffeekonsum als Kompensationsversuch
- ungewöhnliche Ängste und Gefühle, nicht zu genügen
- gelegentliche und überraschende Wutausbrüche
- hohe Anfälligkeit für Infekte, Schmerzen im Rücken und Bewegungsapparat
- Anstieg von Entzündungsmarkern im Körper (bei Frauen viel höher als bei ähnlich belasteten Männern)
Wie man den Mental Load vermindert
Um ihr Burnout-Risiko zu senken, ist es wichtig, wo immer möglich den mentalen Load zu minimieren. Auch durch unkonventionelle Strategien:
Am Arbeitsplatz arbeitet man selbstverständlich mit digitalen Tools. Warum nicht auf in der Familie? Aufgaben werden in einer Family App sichtbar verantwortlich verteilt. Ein wöchentliches Briefing am Wochenstart schafft Kontinuität.
Nein sagen und sich nie erklären! So mehrt sich die Care-Arbeit für Frauen nicht um weitere Ehrenämter wie Elternvertreterin und ähnliches.
Auch mal einfach und vorgefertigt statt perfekt und selbstgemacht: Der Kuchen beim Schulbasar kommt dann aus dem Gefrierfach, zu Hause darf es neben ausgewogener Kost auch gelegentlich Fertigpizza sein.
Für sich denken und nicht durch die Köpfe anderer: Was die von uns halten, können wir letztlich nicht wissen. Wir sollten nicht versuchen, es durch selbstschädigendes Verhalten zu beeinflussen.
Praktisch und pragmatisch handeln: Fahrgemeinschaften bilden, sich wechselseitig bei der Kinderbetreuung entlasten, ein Besuchskind entlastet meist, statt Mehrarbeit zu bedeuten. Für kleines Geld kommen heute Haarschneidekundige nach Hause, auch Bügelwäsche kann durch günstigen Hol- und Bringdienst ersetzt werden.
Verantwortung abgeben: Andere Personen handhaben Dinge anders, als Frau es selber täte. Dennoch ist der Gewinn durch mögliche Aufgabendelegierung an Partner, Groß- und Schwiegereltern, Nachbarn und Freunde schnell größer als die Freude am eigenen Perfektionismus.
Wie eine Therapie helfen kann
Bei bestehenden Symptomen einer Depression (hier können Sie kostenlos einen Selbsttest machen) oder eines Burnouts sollte frau sich nicht scheuen, eine Therapie zu machen. Insbesondere ein stationärer Aufenthalt kann dabei helfen, zum stressigen Alltag Abstand zu gewinnen und zeitweise eben keine Care-Arbeit leisten zu müssen.
In jedem Falle können Frauen so lernen zu wagen, ihr Familienleben und Arbeitsverhalten neu zu ordnen. Das bedeutet auch, Aufgaben gerechter zu verteilen. Meist ziehen Männer und Kinder nach anfänglichen Widerständen mit. Eine überlastete Partnerin und Mutter zu haben, kann keiner wirklich wollen.
Im Beruf sollten Frauen neu gewonnene Stärke für sich selbst einsetzen. Ist es wirklich karriereförderlich, für jede Zusatzaufgabe zur Verfügung zu stehen? Auf unterstützende strukturelle Veränderungen in der Arbeitskultur werden wir noch etwas warten müssen. Nein sagen zu sogenannter Invisible Work aber ist ein wichtiger und gesunder Anfang.