Neue Verhaltensweisen für die Selbstfürsorge erlernen
„Was würden Sie heute anders machen?“ Die Therapeutin blickte Amelie offen und freundlich an. Die wenigen Wochen mit der Verhaltenstherapie hatten in der jungen Frau viel in Bewegung gebracht. Sie hatte aktiv mit der Therapeutin gearbeitet, ihren Burnout inzwischen fast überwunden und tatsächlich inzwischen ein deutlich positiveres Gefühl für sich selbst entwickelt. Nun überlegte sie kurz. „An erster Stelle kann ich dem Wort ‚nein‚ heute einen anderen Stellenwert geben. Ein ’nein‘ muss nicht negativ sein, sondern kann auch das Gegenstück zu einem ‚ja‘ für mich selbst sein.“
Sie musste selbst ein wenig schmunzeln. „Ich hatte immer vor Augen, dass ich niemanden enttäuschen wollte. Meine Eltern nicht, meine Kollegen nicht – und mich selbst schon gar nicht. Doch am Ende hab ich genau mit diesem Verhalten, es allen Recht machen zu wollen, nur noch schlimmer gemacht.“ Die Therapeutin nickte lächelnd. „Das heißt, sie übernehmen nicht mehr alle Aufgaben, die an Sie herangetragen werden? Das klingt doch schon gut. Doch was ist mit ihren sozialen Kontakten? Einerseits ist der Rückzug für Sie zu einer Quelle der Einsamkeit geworden, andererseits bedeutet Ihr aktiver Freundeskreis ja auch schon eine ganz eigene Art des Terminstresses. Haben Sie sich auch dafür etwas überlegt?“
„Nun, dafür habe ich mir selbst einen Mittelweg überlegt.“ erklärte Amelie. „An mindestens zwei Tagen in der Woche verpflichte ich mich gegenüber mir selbst, dass ich raus gehe, und an weiteren zwei Tagen verpflichte ich mich, zu Hause zu bleiben und etwas für mich zu tun. Und wenn bereits fünf Tage mit Terminen voll sind, lehne ich weitere Sachen ab. Umgekehrt suche ich mir Möglichkeiten, etwas mit Freunden oder der Familie zu unternehmen, wenn wirklich mal eine Woche keine Termine anstehen. Bisher klappt das ganz gut.“
„Das klingt doch nach einem guten Plan. Was sind das für Sachen, die Sie für sich selbst machen?“ hinterfragte die Therapeutin. „Alles Mögliche: Das kann mal ein guter Film oder ein schönes Buch sein, manchmal gehe ich zur Kosmetikerin oder in die Sauna. Das entscheide ich immer am Anfang der Woche ganz konkret, damit ich ein festes Date mit mir selbst im Kalender eintragen kann.“
„Das freut mich sehr für Sie. Dann würde ich sagen, Sie führen weiterhin Ihren Kalender, und wir sehen uns in vier Wochen wieder, damit Sie mir berichten können, wie Sie die Zeit bis dahin verbracht haben.“
Verhaltenstherapie zur Lebensveränderung bei Burnout
Die Verhaltenstherapie setzt, anders als die tiefenpsychologische Therapie, aktiv im Leben des Erkrankten an. Negative bzw. selbstschädigende oder selbsteinschränkende Verhaltensmuster werden dabei unter therapeutischer Leitung erarbeitet, um durch das Erlernen neuer Verhaltensmuster eine neue Situationsbewältigung zu erzielen. Der Patient ist dabei aktiv an der Entwicklung der neuen Verhaltensweisen und ihrer Umsetzung beteiligt, damit die neuen Ansätze bestmöglich zum Betroffenen und seinen Lebensgewohnheiten passen.
Der soziale Rückzug ist ein typisches Symptom für einen Burnout. Die aktive Vermeidung von sozialen Kontakten zeigt sich somit als eine Facette im Bereich des Vermeidungsverhaltens. Die Verhaltenstherapie regt entsprechend dazu an, diese Vermeidung zu durchbrechen. Es werden beispielsweise zunächst Situationen geschaffen, in denen der soziale Kontakt möglichst angenehm empfunden wird. An dieser Situation kann somit trainiert werden, wie ein gutes Sozialkontakt wieder gepflegt werden kann. Gegebenenfalls können später neutrale oder sogar bisher als unangenehm empfundene Situationen (z.B. die Kontaktaufnahme mit fremden Menschen) als Übungspotenzial für das neue Sozialverhalten dienen.
Es gibt heute viele Bereiche, in denen die Verhaltenstherapie zielführend eingesetzt werden kann. Mögliche Einsatzgebiete finden sich in Angststörungen, affektiven Störungen (Depressionen), Essstörungen und psychosomatischen Erkrankungen oder in Belastungsstörungen, zu denen neben der sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung auch der Burnout zählt. Gerade bei der Entstehung von Burnout sind häufig Verhaltensanteile des Patienten an der Krankheitsentstehung beteiligt: Hohe Selbstansprüche, die vernachlässigte Selbstfürsorge, das vielbesagte „Nein-Sagen“-Lernen und das Erkennen sowie Einhalten der persönlichen Grenzen können durch die Gespräche und Übungen in der Verhaltenstherapie neu betrachtet und zielführend verändert werden, um im besten Fall nicht nur die Genesung zu fördern, sondern auch den Rückfall in einen neuen Burnout für die Zukunft zu vermeiden.
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Therapeuten, wenn Sie das Gefühl haben, von Burnout bedroht oder betroffen zu sein und nicht alleine aus der Situation heraus finden. Die Verhaltenstherapie bietet Ihnen die Chance, Ihre Zukunft und Ihre psychische Gesundheit nachhaltig mitzugestalten und in eine positive Richtung zu lenken.