Kaum etwas im Büroalltag ist so unbefriedigend wie stagnierende Projekte. Das Frustrierende daran: So sehr man sich auch anstrengt, ein Fortschritt ist nicht spürbar. Ganz anders ist das bei körperlicher Arbeit. Vereinfacht gesagt: Pflanzt man einen Baum oder schneidet eine Hecke, ist das Ergebnis sofort zu sehen. Und das fühlt sich erfüllend an. Studien belegen, wie sehr unsere Psyche von Gartenarbeit profitiert. Die Beschäftigung im Grünen hilft sogar bei Depressionen.

Aktivierend und gesundheitsfördernd: Das passiert im Körper, wenn wir im Freien sind

Fakt ist: Sobald wir ins Grüne gehen, sinken Blutdruck und Herzfrequenz. Beruhigend wirken neben den Naturgeräuschen auch die visuellen Reize der natürlichen Umgebung (ob Wald, Parkanlage oder Garten). Denn mutmaßlich entsprechen diese unseren neurobiologischen Präferenzen. Wer an der frischen Luft ist, bekommt Sauerstoff und viel Licht – selbst bei bedecktem Himmel. Das verbessert die Laune und wirkt aktivierend, denn unser Körper drosselt bei Sonneneinstrahlung die Produktion des Schlafhormons Melatonin.

Bei der körperlichen Arbeit im Garten werden zudem je nach Tätigkeit Muskeln aufgebaut oder entspannt. Oft handelt es sich um gleichförmige, sich wiederholende Bewegungen mit einer leichten bis mittleren Anstrengung, die einem mäßigen Cardio-Training entspricht. Mehr dazu, wie Sport auf die Psyche wirkt, lesen Sie hier.

Nicht zuletzt erntet der ein oder andere im Garten sein eigenes Obst und Gemüse und trägt so selbst zu seiner ausgewogenen, nährstoffreichen Ernährung bei.

Seine eigene kleine Welt erschaffen: So stärkt Gartenarbeit unsere Psyche

Gärtnern wirkt sich vor allem positiv auf unser psychisches Wohlbefinden aus und macht uns zufriedener. Eine Metastudie der Universität Tokyo kam zu dem Ergebnis, dass regelmäßiges Arbeiten im Garten einen positiven Effekt auf Stimmung und Lebensqualität hat und Menschen dadurch weniger Stress empfinden. Auch Angst-, Belastungsstörungen und Depressionen traten schwächer oder seltener auf.

Wer öfter zu Rasenmäher, Spaten und Schubkarre greift, hat vermutlich schon selbst erlebt, wie zufrieden es macht, schon kleine botanische Projekte umgesetzt zu haben. Im Garten kann man eine kleine Welt nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten und Ordnung schaffen. Das kann sehr wohltuend wirken in einer Welt voller Krisen und Unberechenbarkeit, in der wir über viele Dinge keine Kontrolle haben.

Im Garten können wir unser Bedürfnis danach ausleben, uns um etwas zu kümmern. Wir erfahren Selbstwirksamkeit, indem unter unserer Zuwendung Pflanzen wachsen, gedeihen und aufblühen. Solche Erfolgserlebnisse beflügeln.

Gleichzeitig lernt man im Garten auch zu ertragen und hinzunehmen. Die Natur hat eben ihren eigenen Rhythmus und erdet uns – im wahrsten Sinne des Wortes.

Gegen das Grübeln: Darum kann die Beschäftigung im Garten bei Depressionen helfen

Im Falle einer Depression ist schon die Beschäftigung per se hilfreich. Regelmäßige Gartenarbeit erfordert die volle Aufmerksamkeit und bringt Struktur in den Tag. Antriebslosigkeit lässt sich dadurch leichter überwinden. Zudem hilft das Gärtnern dabei, Grübeleien zu unterbrechen und mindert Gefühle der Einsamkeit. Umgeben von Pflanzen fühlen sich Menschen nachweislich weniger allein – ohne der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen ausgesetzt zu sein, die für Menschen mit Angststörungen oder Depressionen herausfordernd sein können. Auch die Erfolge beim Gärtnern und die darin erlebte Selbstwirksamkeit ist für depressiv erkrankte Menschen eine wertvolle Erfahrung, die neue Motivation bringen kann.

Bereits seit dem 18. Jahrhundert: Gärtnern als Teil der Therapie

Die Wirkung von Gartenarbeit auf die mentale Gesundheit ist mittlerweile gut belegt. Auch deshalb wird Gärtnern in verschiedenen Bereichen als Therapiebestandteil eingesetzt, zum Beispiel in der Geriatrie bei Demenz, in der Psychotherapie bei affektiven Störungen und Belastungsstörungen sowie als ergotherapeutische Maßnahme in der Neurorehabilitation. Laut einer Studie der Universität Kopenhagen konnte die „nature-based Therapy“, die neben Achtsamkeitsübungen regelmäßige Gartenarbeit unter Anleitung eines ausgebildeten Gärtners beinhaltete, ähnliche Erfolge wie kognitive Verhaltenstherapie bei den Probanden erzielen.

Dabei sind weder die Idee des therapeutischen Gärtners noch die Befunde ganz neu: Bereits im 18. Jahrhundert wurden in Psychiatrien Gärten und Gewächshäuser zu therapeutischen Zwecken angelegt. Beobachtungen aus dieser Zeit attestierten schon damals jenen Patienten, die ihren Klinikaufenthalt durch Gartenarbeit finanzierten, eine schnellere Gesundheit.

Heutzutage ist das therapeutische Gärtnern besonders in den USA, Australien und in den Niederlanden verbreitet.

Keinen Garten? Auch Zimmerpflanzen wirken schon positiv

Rund 45 Prozent der Deutschen besitzt einen Garten. Das bedeutet aber auch: Sehr viele Menschen müssen beim Gärtnern auf Balkon- oder Zimmerpflanzen ausweichen. Für Depressionen oder psychische Belastungen kann auch das immer noch Vorteile bereithalten. Denn Aspekte wie Selbstwirksamkeit, Kontrolle und Hinwendung kommen auch bei der Pflege von Zimmerpflanzen zum Tragen.

Das zeigte sich beispielsweise auch während der Corona-Pandemie. Laut einer Studie der Universität Genua empfanden Menschen mit vielen Pflanzen zuhause die Isolation als weniger belastend im Vergleich zu Menschen ohne oder mit nur wenigen Pflanzen. Ähnliche Untersuchungen legen nahe, dass sich Menschen in Räumen mit Pflanzen – etwa in der Schule oder im Krankenhaus – zufriedener fühlen, schneller genesen oder gar weniger Schmerzmittel benötigen.

Wussten Sie schon?

Im Vereinigten Königreich wird das „Verschreiben“ von Hobbys durch den therapierenden Arzt bei leichten bis mittelschweren Depressionen schon länger praktiziert.

Im Rahmen einer Studie am University College London wurden 8.800 Erwachsene über zwölf Jahre hinweg kontinuierlich zu depressiven Symptomen und dem Nachgehen von Hobbys interviewt. Als Hobby wurde die regelmäßige Beschäftigung zum Zeitvertreib definiert, allerdings unter der Bedingung „körperlich nicht anstrengend“, um die Ergebnisse von den durchaus positiven Effekten von Sport zu bereinigen.

Wer anfangs keine Freizeitbeschäftigung hatte und während der Studie eine aufnahm, hatte im Verlauf der Studie ein um 32 Prozent geringeres Risiko an einer Depression zu erkranken als jene, die ohne Hobby blieben. Wer bereits an einer Depression erkrankt war, hatte durch eine regelmäßige Freizeitaktivität mildere Symptome und konnte seine Chancen auf Genesung um das Dreifache erhöhen.

Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag erschien erstmals am 26. April 2022 und wurde aktualisiert.