Antriebslosigkeit, Grübeleien, innere Leere, all das können klassische Anzeichen einer Depression sein. Bei betroffenen Menschen bemerkt man womöglich den sozialen Rückzug und eine gewisse Niedergeschlagenheit. Was aber, wenn sich die Krankheit in Wut und Gereiztheit äußert? Depressionen zeigen andere Symptome beim Mann als bei Frauen – und sind darum oft schwerer für denjenigen selbst und sein Umfeld zu deuten.
Warum sind bei Depressionen die Symptome beim Mann anders?
Mehr als zwei Millionen Männer erhalten jedes Jahr die Diagnose Depression. Viele von ihnen zeigen nicht die klassischen Anzeichen mit sichtbarer Traurigkeit und Antriebslosigkeit, sondern kehren die Verhaltensmuster ins Gegenteil – die Depression zeigt sich dann in „umgekehrten“ Symptomen beim Mann: Aggression, Überaktion und der Verlust von Verhältnismäßigkeiten prägen die Situation, wenn der Betroffene die Depression zu verleugnen sucht. Exzessiver Sport, Arbeitswut, Risikobereitschaft und übermäßiger Konsum von Genussmitteln wie Alkohol oder gar Drogen können ebenfalls die Folge sein. Sozialer Rückzug aus Sorge vor dem Auffallen mit den eigenen Stimmungsschwankungen bis hin zu Selbstmordgedanken zeigen sich ebenfalls in vielen Fällen.
Zeigen Frauen öfter Symptome einer Depression als Männer?
Doch nicht nur die Symptomatik einer Depression unterscheidet sich bei Männern und Frauen, auch die Häufigkeit der Diagnose weist große Differenzen auf. Laut dem Gesundheitsmonitoring 2017 des RKI hatte jede zehnte Frau von einer diagnostizierten Depression in den letzten zwölf Monaten berichtet, doch nur 6,3 Prozent der Männer. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig: Frauen haben eine höhere Bereitschaft auch seelische Beschwerden ärztlich abklären zu lassen, bei Männern „versteckt“ sich die Depression zuweilen hinter weniger offensichtlichen Symptomen. Hinzukommen geschlechtsspezifische Risikofaktoren, depressiv zu erkranken: Finanzielle Armut etwa, chronischer Stress durch die Doppelbelastung von Beruf und Familie, weniger soziale Unterstützung, geringeres Selbstwert und das Erfahren häuslicher Gewalt betreffen häufiger Frauen als Männer.
Diese hingegen haben ihrerseits andere Risikofaktoren für das Entwickeln einer Depression: Arbeitslosigkeit (hierhinter steht mitunter der sogenannte „Financial Load“, also die Verantwortung für die wirtschaftliche Versorgung der Familie), Stress, Trennung und Scheidung oder Testosteronmangel.
Depressiv erkrankte Männer stehen unter Druck
Häufig steht das männliche Ego der Krankheitserkenntnis einer Depression entgegen. Der (teilweise selbst aufgebaute) Leistungsdruck, Versagensängste und/oder eine seelische Krise (z.B. eine Trennung vom Partner, vom Job, von einem „Lebensinhalt“) können jedoch nicht mehr ausgehalten werden. Statt wie die meisten Frauen über ihre Probleme zu reden, sperren manche Männer die Probleme in sich ein, aus Scham, nicht mehr dem Bild von einem starken stabilen Mann zu entsprechen. So verliert der Patient aufgrund der Verleugnung der Erkrankung oder dem Herausschieben der Hilfeannahme wertvolle Zeit, bis ein Weitermachen nicht mehr möglich ist.
Depressionen äußern sich beim Mann in körperlichen Symptomen
Verstärkt wird dieser Umstand zudem, wenn die Verdrängung sich durch körperliche Beschwerden entlädt, die den Mann zur Ruhe zwingen: Rücken- und Gelenkschmerzen und Herz-Kreislauf-Probleme gehören hierbei zu den häufigen Beschwerden, die mit dem Stress der unbehandelten Depression einhergehen. Diese geben dann oft den Anlass, doch zum Arzt zu gehen.
Um die Depression beim Mann und deren Symptome entsprechend gezielt in den Griff zu bekommen, können versierte Therapeuten passende Maßnahmen ergreifen, die genau auf die vorliegenden Symptome der Erkrankung eingehen. Individuelle Therapiemaßnahmen helfen beim Aggressionsabbau und können neue Wege oder Lösungsstrategien aufzeigen, mit Konflikten, Frust und Unzufriedenheit umzugehen. So kann Sport ebenso ein Teil der Therapie wie Kommunikationstraining, dass dem Mann hilft, aus dem Rückzug und dem Schweigen herauszutreten und seine Bedürfnisse offen mitteilen zu lernen.
Sich Hilfe zu suchen bedeutet Stärke
Entdecken auch Sie bei sich die Anzeichen steter Aggression, deren Entstehung und Intensivität Sie sich im Nachhinein oft selbst nur eingeschränkt erklären können? Spüren Sie selbst eine stete Gereiztheit, die eventuell sogar mit körperlichen Symptomen wie Magenschmerzen, Kopf- und Rückenbeschwerden oder Bluthochdruck einhergeht? Dann sprechen Sie mit dem Arzt Ihres Vertrauens über das potenzielle Vorliegen von Depressionen. Bedenken Sie dabei, dass die Erkrankung keine Schwäche ist, jedoch die Auseinandersetzung mit der Gesundheitsproblematik eine echte Stärke darstellt.
Dieser Artikel erschien erstmals am 28. Oktober 2019 und wurde überarbeitet.