Mit Zahnschmerzen geht man zum Zahnarzt, mit Rückenschmerzen zum Orthopäden und mit Sehproblemen zum Augenarzt. Doch geht es um Depressionen, Angstzustände oder mentale Erschöpfung wenden sich viele Patienten zuerst an ihren Hausarzt, anstatt sich bei einem Spezialisten zu melden. Warum das so ist, was der Hausarzt für psychisch Erkrankte tun kann und wann der Gang zum Facharzt zielführender ist, lesen Sie hier.
Wie viele Betroffene lassen sich bei Depressionen vom Hausarzt behandeln?
Depressive Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in der hausärztlichen Versorgung. So lautet das Fazit des Artikels „Depressive Erkrankungen in der hausärztlichen Versorgung“ (Zeitschrift für Allgemeinmedizin, August 2024). Das heißt: Hausärzte nehmen als primärer Ansprechpartner eine zentrale Rolle bei der Erkennung und Behandlung etwa von Depressionen ein. Das Problem: Patienten wenden sich oft mit körperlichen Beschwerden an sie, was die Diagnose erschwert.
Mehr als jeder zehnte Patient, der seinen Hausarzt aufsucht, ist einer Studie von 2017 zufolge depressiv. Doch nur bei jedem zweiten davon erkennt der Hausarzt die Erkrankung. Wird die Depression richtig diagnostiziert, übernimmt gut die Hälfte der Hausärzte die Behandlung allein. Nur ein Drittel der Betroffenen ist sowohl beim Hausarzt als auch bei einem Spezialisten (etwa einem Facharzt für Psychiatrie) in Behandlung.
Doch warum verlassen sich viele depressive Patienten auf ihren Hausarzt? Neben dem oft über viele Jahre gewachsenen Vertrauensverhältnis können auch Vorbehalte gegenüber Psychiatrie und Psychotherapie eine Rolle spielen. Hinzu kommt die ausbaufähige Versorgungslage. Wochen- oder sogar monatelange Wartezeiten bis zu einem Erstgespräch mit einem Therapeuten oder einer Behandlung sind die Realität. Wer aber zum Beispiel eine Krankschreibung braucht oder einfach schnelle Hilfe bei einer Depression benötigt, ist häufig auf den Hausarzt angewiesen.
Was macht der Hausarzt bei einer Depression?
Wer mit Depressionen zum Hausarzt geht, erhält häufig ein Rezept für Antidepressiva. Das Problem: Oft werden ausschließlich Medikamente verschrieben, obwohl eine (zusätzliche) Psychotherapie für den Patienten hilfreich wäre – doch nur wenige Hausärzte haben eine Ausbildung in Psychotherapie. Oft mangelt es im hektischen Praxisalltag auch an Zeit, um psychische Erkrankungen richtig zu erkennen und behandeln.
Für eine verbesserte hausärztliche Versorgung bei Depressionen setzt sich beispielsweise die Initiative ifightdepression ein, die auf ihrer Website Infomaterialien für Hausärzte anbietet.
Was kann der Hausarzt für psychisch Erkrankte tun?
Hausärzte haben die wichtige Aufgabe, eine erste medizinische Einschätzung vorzunehmen und Betroffene zur weiteren Abklärung an Spezialisten zu überweisen.
In der Regel begleiten Hausärzte ihre Patienten bereits über viele Jahre und kennen die medizinische Vorgeschichte gut. Das ist wertvoll, gerade weil sich Depressionen nicht selten hinter unklaren körperlichen Beschwerden wie Schmerzen oder Schlaflosigkeit verbergen. Umgekehrt können körperliche Erkrankungen wie eine Schilddrüsen-Unterfunktion oder bestimmte Medikamente auch eine depressive Symptomatik hervorrufen. Häufig benötigen Patienten bei Depressionen eine engmaschige Betreuung über einen längeren Zeitraum hinweg.
Die Hausarztpraxis ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt: So stellt der Hausarzt normalerweise den ärztlichen Konsiliarbericht aus, den man vor einer Psychotherapie benötigt. Wenden sich Patienten in akuten Krisensituationen an ihren Hausarzt, kann er über weitere Optionen beraten und die nötigen Schritte in die Wege leiten – sei es eine stationäre Behandlung oder die Betreuung in einer Tagesklinik.
Als Vertrauensperson steht der Hausarzt außerdem zur Verfügung, wenn es einmal zu Versorgungslücken kommt, etwa nach dem Ende einer kassenfinanzierten Therapie.
Warum sollte man bei Depressionen zusätzlich zum Spezialisten gehen?
Bei Depressionen kann der Hausarzt zwar die Weichen für eine leitliniengerechte Therapie stellen und die Betreuung des Patienten ergänzen und koordinieren. Die eigentliche Behandlung sollten aber – ebenso wie bei körperlichen Erkrankungen – Spezialisten übernehmen. Man sollte nicht zögern, die Hilfe kompetenter Spezialisten in Anspruch zu nehmen! Fachärzte und Psychotherapeuten haben eine mehrjährige Ausbildung in ihrem Fachbereich absolviert und können eine wissenschaftlich fundierte Behandlung auf hohem Niveau gewährleisten. Hier eine kurze Übersicht, wer wofür zuständig ist:
- Fachärzte für Psychiatrie und Neurologie (medikamentöse Therapie psychischer Erkrankungen, Krisengespräche, teilweise auch Psychotherapien)
- Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie (Verschreibung von Medikamenten, Behandlung im Krisenfall, häufig auch Psychotherapien)
- Psychologische Psychotherapeuten (Psychotherapie, keine Verschreibung von Medikamenten)
Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag erschien erstmals am 17. Mai 2022 und wurde aktualisiert.