„Jetzt raff Dich auf und komm mit.“ meckerte Stefan Tamara an. „Solange Du nur rumliegst, kann sich ja nichts ändern. Davon abgesehen hast Du mir versprochen, dass Du Dich dieses Wochenende um die Garage kümmerst. Ich kann nicht alles alleine machen.“
Tamara schloss die Augen. Er sollte nicht sehen, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie war selbst gefrustet über die Untätigkeit. Die ganze Woche hatte sie wieder zu Hause gesessen – und alles, was sie sich vorgenommen hatte, war unerledigt liegen geblieben. Sie schämte sich. Vor ihm. Vor sich selbst. Und doch fand sie nicht die Kraft, etwas zu ändern. Sie fühlte sich leer.
„Das geht echt so nicht weiter, Tamara.“ Er warf ihr einen Brief hin. Eine Mahnung. „Ich dachte, du hättest das längst überwiesen. Du kümmerst Dich um nichts mehr. Alles kann ich allein machen. Ich versteh Dich echt nicht mehr, Du warst immer zuverlässig. Depression hin oder her, aber jetzt ist echt Schluss.“
„Du verstehst mich einfach nicht.“ Sagte Tamara leise. „Ich versuche es wirklich. Doch wenn ich es umsetzen will, finde nicht die Kraft.“ – „Nein, das verstehe ich wirklich nicht. Entweder mach ich was, oder ich sag Bescheid und lass es sein. Die Depression ist inzwischen echt zur Ausrede geworden. Du bist doch echt oft genug beim Therapeuten. Jetzt mach Dich wenigstens fertig, damit wir zum Familiengrillen fahren können.“
Tamara schüttelte den Kopf. „Nein, fahr alleine. Ich kann das heute nicht.“ Wutentbrannt nahm Stefan Jacke, Schlüssel und Handy zur Hand. Sein Blick schien sie zerreißen zu wollen, während Tamara immer mehr in sich zusammensackte. Sie blickte unter sich. Dann hörte sie die Tür ins Schloss fallen
Wenn die Familie und die Partnerschaft leiden
Eine Depression ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die jedoch nicht nur das Leben des Erkrankten nachhaltig beeinflusst. Auch die engsten Angehörigen, allem voran der Partner und die Kinder, erfahren Veränderungen, auf die sie keinen Einfluss haben – und denen sie hilflos gegenüber stehen. Verhaltensänderungen, ein scheinbar völlig anderer Charakter und der meist unverständliche Rückzug gegenüber dem sozialen Umfeld sind nur einige Aspekte, welche die Situation belasten.
Der Erkrankte selbst spürt die Wesensveränderung mehr oder weniger, ist voller Selbstzweifeln und leidet unter der selbst gewählten Isolation. Selbstvorwürfe und der Wunsch, die Situation ändern zu wollen, es aber nicht zu können, sind häufig vorhanden. Auch fühlen sich viele Depressive von ihren Mitmenschen nicht verstanden, sie können aber oft nicht artikulieren, wie ihr Partner mit ihnen in einer solchen Situation umgehen soll.Diese treten ebenso auf wie weiterer Rückzug und ungerechte Vorwürfe bezüglich empfundener Rücksichtslosigkeit und Aggressionen gegenüber den Menschen, die im Grunde aus Liebe und dem Wunsch zu helfen die Nähe suchen.
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe hat im Jahr 2018 zum zweiten Mal das „Deutschland-Barometer Depression“ veröffentlicht, das in Interviews mit rund 5.000 Männern und Frauen zwischen 18 und 69 Jahren die „Auswirkungen der Depression auf Partnerschaft und Familie“ behandelte. Dabei stellte sich heraus, dass weniger die partnerschaftlichen Beziehungen und Probleme in der Partnerschaft für die Depression ursächlich sind, sondern die Erkrankung zu starken Konflikten und Problemen führt, die auf die Depression und ihre Auswirkungen zurückgeführt werden können.
Unverständnis, Angst, Schuldgefühle und unzureichende Information
Laut der Studie fühlen sich 84 % der Erkrankten unverstanden und/oder von Vorwürfen durch die Familie/den Partner belastet. 83 % erleben den Alltag gefüllt mit Streit und Konfliktsituationen, während 45 % bereits eine Trennung erlebten. 50 % der von Depression betroffenen Interviewpartner berichteten, dass Angst, die Angehörigen zu enttäuschen, zu Selbstvorwürfen und entsprechend weiteren Einflüssen auf die Partnerschaft führen.
Auch die Antworten von Partnern depressionskranker Menschen weisen mit Nachdruck auf die Probleme hin: 73 % der gesunden Partner entwickeln Schuldgefühle gegenüber dem Erkrankten. Viele fühlen sich verantwortlich für die Erkrankung, aber auch für die Fortschritte im Genesungsprozess. Rund 61 % entwickeln Gereiztheit oder Aggression, da sie den Leidensdruck des Erkrankten nicht oder nur unzureichend nachvollziehen können. Hinzu zeigt sich fast jeder dritte Angehörige unzureichend über die Erkrankung informiert und/oder sieht in der Depression eine Schwäche, die aus Disziplinlosigkeit, Empfindlichkeit oder vergleichbare Unzulänglichkeiten genährt wird.
Aufklärung und Kommunikation als wichtige Elemente in der Genesung
Da Depressionen einen Einfluss auf die sozialen Beziehungen haben wird auch in der Behandlung von Depressionen immer stärker auf die Einbindung des engsten Umfeldes eingegangen. Selbsthilfegruppen für Angehörige, Partner- und Familiengespräche im Rahmen der Therapie und Informationsveranstaltungen und Psychoedukation über psychischen Erkrankungen sind dabei wichtige Bestandteile zum besseren Verständnis im Miteinander zwischen Erkrankten und Gesunden.
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Therapeuten, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Familie oder die Partnerschaft unter der Depression leidet und vereinbaren Sie eine Partner- oder Familiensitzung, um die Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht auf beiden Seiten zu Gunsten der Genesung aufzulösen.