Diagnose Burnout
Immer häufiger wird von Ärzten die Diagnose Burnout gestellt. Diese Bezeichnung trifft jedoch nicht auf jeden Erschöpfungszustand zu, betont Dr. Friedrich Straub von der Schlossparkklinik Dirmstein. Ein Interview mit dem Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie zu häufigen Irrtümern und Vorurteilen:
Trifft es vor allem Manager und Prominente?
„Nein, aber wenn Prominente betroffen sind, steht das landesweit im Mittelpunkt von Medienberichten. Grundsätzlich kann jeder Mensch ein Burnout bekommen. Früher galten in erster Linie Beschäftigte in Sozialberufen, also Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern als gefährdet. Aufgrund des wachsenden wirtschaftlichen Drucks und des enormen Arbeitspensums gehören inzwischen aber auch beispielsweise Landwirte verstärkt zur Risikogruppe. Ebenso leiden Schüler immer häufiger unter den bekannten Symptomen. In erster Linie sind sehr leistungsorientierte Menschen betroffen. Wer es gelassener und weniger ehrgeizig angeht, reduziert natürlich auch Erwartungshaltung und Leistungsdruck. Doch es geraten auch Menschen durch lange Arbeitslosigkeit, die intensive Pflege eines Angehörigen oder andere familiäre Probleme so stark unter Druck, dass es zu seelischen Störungen kommt.“
Führen Zeit- und Leistungsdruck unweigerlich zu chronischer Erschöpfung?
„Unsere schnelllebige Zeit führt bei immer mehr Menschen zur Überforderung. Doch das Gefühl, ständig unter Zeitdruck zu stehen und dem Berufsleben nicht mehr gewachsen zu sein, ist nicht zwingend gleichbedeutend mit einem Burnout. Dieses ist in der Tat ein chronischer Erschöpfungszustand. Man fühlt sich ausgebrannt, leer und antriebslos. Es fällt immer schwerer abzuschalten und innere Ruhe zu finden. Dazu treten häufig Schlaflosigkeit, Angstzustände, Hyperaktivität sowie Gefühle der Ohnmacht auf. Im späteren Verlauf stellen sich mangelnde Empathie und Resignation bis hin zur schweren Depression ein. Frauen sind häufiger betroffen, wegen der Dreifachbelastung Haushalt, Familie und Job. Zudem arbeiten mehr Frauen als Männer in sozialen Berufen, die als klassisches Risikofeld gelten.“
Wie kann man vorbeugen?
„Der zunehmende Stress und die Arbeitsverdichtung in vielen Branchen führen natürlich vielfach zu Überlastungen und Überforderungen. Deshalb ist es wichtig, im Job auch mal Nein sagen zu können und sich nicht ausschließlich über Beruf und Karriere zu definieren. Ausreichende Ruhe- und Erholungszeiten, Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenes Training helfen ebenfalls dabei, ein hohes Stresslevel abzubauen. Tritt dennoch ein Burnout auf, so ist es heilbar, wenn auch Rückfälle nicht ausgeschlossen werden können. Wichtig ist es, dass den Betroffenen ihr Problem bewusst wird und sie entsprechende Schutzmechanismen und Strategien zur Stressbewältigung erlernen. In vielen Fällen kann die Psychotherapie, insbesondere die Verhaltenstherapie, hilfreich sein. Die medizinische Hilfe sollte auf den jeweiligen Patienten und dessen Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die Art der Beschwerden abgestimmt sein. Über 90 Prozent der Betroffenen gelingt übrigens die Rückkehr in den Beruf. Zudem gilt: Jede Lebenskrise bietet auch die Chance eines Neubeginns.“
Burnout ist keine Erscheinung der Gegenwart
Bereits Shakespeare verwendete das Verb »to burn out« (engl. ausbrennen) Ende des 16. Jahrhunderts. Doch bekannt wurde der Begriff erst in den 1970er-Jahren, als der amerikanische Psychotherapeut Herbert Freudenberger über seinen eigenen Erschöpfungszustand schrieb und so die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisierte.
Auch Menschen mit verdeckten Diagnosen können in diesen Zustand kommen. Im vorliegenden Beispiel handelt es sich um eine undiagnostizierte ADHS: Wenn Coping- und Maskingstrategien für hinderliche Symptome wegbrechen, aufgrund von beginnender Erschöpfung, erhöht dieses den Druck noch zusätzlich. Oft wissen aber die Personen nicht, welche Diagnosen dem Verhalten zugrunde liegen und erschöpfen sich weiter im Kampf um das „normale“ Funktionieren im Alltag. Hier wäre von Seiten der Hilfepersonen zuweilen etwas mehr Aufmerksamkeit erforderlich, um zugrundeliegende Erkrankungen besser auszumachen, so dass rasch adäquate Hilfesysteme zur Entlastung in Stellung gebracht werden können, was sicher oft der massiven Verschlechterung entgegenwirken würde.