Wenn Überarbeitung als Tugend gilt
„Ohne Fleiß keinen Preis.“, „Sich regen bringt Segen.“, „Dem Fleißigen hilft Gott.“, „Fleißiges Bienchen“ oder „Fleiß ist aller Tugend Anfang.“ Unzählige Sprichwörter und Zitate stehen eng mit dem hohen Engagement in Verbindung. In unserem Sprachgebrauch ist Fleiß heute ebenso wenig wegzudenken wie aus der Liste der angeblich typisch deutschen Tugenden. Zuverlässigkeit, Emsigkeit und Arbeit führen zum Erfolg. Zumindest theoretisch. So ist es kaum verwunderlich, dass die Erkrankung Burnout als Zeichen der langfristigen Überbelastung – häufig eben auch durch das Engagement im Berufsleben – einen besonderen Stellenwert unter den psychischen Erkrankungen einnimmt. Die Meinungen über Burnout gehen dennoch in unserer Bevölkerung weit auseinander.
Bei Arbeitgebern eher verpönt …
Der Herstein-Report 2017 brachte erstaunliche Ergebnisse zum Thema „Burnout“ auf den Tisch. Wenngleich Fleiß und Engagement in den Chefetagen gern gesehen sind, empfinden 41 % der Führungskräfte die Erkrankung als ein Zeichen der Schwäche. Lediglich 26 % sehen in einem Burnout die Folge von hohem Engagement, das mit dem erbrachten Arbeitspensum in Verbindung zu bringen ist. Dies ist vor allem mit Blick auf die vielfältigen Krankengeschichten recht kurios, da doch auch aus dem Kreis der erfolgreichen und engagierten Führungskräfte zahlreiche Patienten über typische Symptome einer Burnout-Erkrankung verfügen.
Burnout ist eine Erkrankung, die zumeist mit einer hohen Belastung über einen langen Zeitraum hinweg in Verbindung steht. Schon sprachlich zeigt sich die Überbelastung als Ursache: Der Betroffene „brennt“ zunächst für eine Sache, eine Aufgabe, und geht mit voller Energie in die Erledigung, bis die vorhandene Energie aufgebraucht, also „ausgebrannt„, ist.
Die Psyche bricht dabei bildlich gesprochen unter der vorhandenen Last zusammen und findet durch dauerhafte Überschreitung von persönlichen Belastungsgrenzen keinen Freiraum zur Regeneration. Wenngleich die Belastungsgrenze, die sogenannte Resilienz, des Einzelnen individuell ist, besteht kein Zweifel daran, dass ein stetes Überschreiten dieser Grenzen einen negativen Einfluss auf die Gesundheit nimmt. So ist es im Grunde ein Schutz des Körpers, ein Burnout zu entwickeln, bevor die körperlichen und psychischen Belastungen zu schlimmeren Erkrankungen wie beispielsweise einem Herzinfarkt führen.
Burnout als Krankheitsrisiko oft unterschätzt
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte in der heutigen Zeit gleichermaßen gelten: Burnout ist ein Gesundheitsrisiko, das bei jedem Auftreten kann. Bei den Behandlern und Kliniken werden Menschen unterschiedlichster Art vorstellig: Arbeitnehmer, Führungskräfte, Alleinerziehende und Hausfrauen, Rentner und Beamte. Selbst Kinder und Jugendliche können betroffen sein. Psychische Erkrankungen wie Burnout und Depressionen machen keinen Unterschied zwischen Bildungsstand, Alter oder sozialem Status.
Je engagierter und verantwortungsbewusster die Tätigkeit ausgeübt oder eine Belastung getragen wird, desto höher ist das Risiko zu erkranken. Dabei spielt nicht nur eine ausgewogene Work-Life-Balance eine tragende Rolle, sondern auch die Aufmerksamkeit, bei sich selbst, den Kollegen und den Mitarbeitern das Auftreten von Symptomen ernst zu nehmen. Verlassen Sie die überholten Denkmuster, dass Burnout nur charakterschwache Menschen oder Personen trifft, die durch mangelnde Leistungsfähigkeit ihre Grenzen überschreiten.
Burnout ist kein Zustand, der sich mit ein wenig Urlaub und Entspannung wieder richten lässt. Es ist eine Erkrankung, welche ernsthafte Folgen haben kann, wenn die professionelle Behandlung, beispielsweise in Form einer Therapie, ausbleibt. Somit unterscheidet sich die „Krankheit der Fleißigen“ in keineswegs von anderen psychischen Erkrankungen mit Behandlungsbedarf. Im Gegenteil: Als Krankheitsbild aus dem Spektrum der psychischen Erkrankungen kann Burnout nicht nur zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Arbeitsunfähigkeit führen, sondern unbehandelt in chronische Depressionen bis hin zum Suizid führen. Entsprechend sollte jeder, der bei sich oder anderen Menschen Symptome eines Burnouts erkennt, die moralische Verantwortung übernehmen, Überbelastungen zu reduzieren und eine Vorverurteilung von Betroffenen vermeiden.