Cannabis – Allheilmittel oder Teufelskraut?
Der Gesetzgeber hat zum 1. April 2024 den Besitz sowie den Anbau von Cannabis in kleinen Mengen unter konkreten Auflagen legalisiert. Der primäre Grund ist eine Eindämmung der organisierten Kriminalität rund um Erwerb, Besitz und Konsum der Droge.
Cannabis ist für seine vielschichtigen Wirkungen bekannt, die sich stark nach der Art und Menge der Nutzung unterscheiden. Eine Cannabislegalisierung bedeutet nicht, dass keine gesundheitlichen Risiken durch den Konsum bestehen. Die Pflanze kann sowohl zu Reaktionen der Entspannung führen als auch im Ernstfall langfristig Psychosen hervorrufen.
Die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen
Das Gesetz zu einem kontrollierten-Cannabisumgang wird in zwei Stufen umgesetzt. Die erste Stufe regelt den privaten Anbau von Cannabis für den Eigengebrauch. In einer zweiten Stufe soll die Möglichkeit etabliert werden, die Pflanzen in speziellen Anbauvereinigungen käuflich erwerben zu können, die jedoch keine kommerzielle Funktion haben dürfen. Grundsätzlich beziehen sich sämtliche Regelungen ausschließlich auf erwachsene Personen, somit Menschen ab einem Alter von 18 Jahren.
Der zulässige Besitz
Im öffentlichen Raum dürfen Erwachsene eine Gesamtmenge von maximal 25 Gramm Cannabis mit sich führen. In Ihrem eigenen Haushalt ist die doppelte Menge von bis zu 50 Gramm Cannabis in getrockneter Form erlaubt. Hinzu kommt der Besitz von höchstens drei Cannabispflanzen pro Person.
Der Erwerb von Cannabis
Volljährige Personen sind berechtigt, Cannabissamen aus den Mitgliedsstaaten der EU zu kaufen und darüber hinaus einzuführen. Auch das Bestellen über das Internet ist erlaubt. Die Samen dürfen ausschließlich für den eigenen Anbau verwendet werden.
Gesetzeswidrige Handlungen
Werden unterwegs größere Cannabismengen mitgeführt als gesetzlich erlaubt, sind entsprechende Strafen die Folge. Dies gilt gleichermaßen für ein Überschreiten der Menge im eigenen Haushalt. Zusätzliche fünf Gramm zur erlaubten Menge im öffentlichen Raum werden dabei als Ordnungswidrigkeit bewertet und geahndet. Gleiches gilt für ein Plus von zehn Gramm im häuslichen Bereich. Bei größeren Mengen können Geldstrafen oder auch Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren die Folge sein.
Anbauvereinigungen
Als Cannabisnutzer können Sie Mitglied in einer sogenannten Anbauvereinigung ohne Gewinnorientierung werden und dort bis zu 50 Gramm Cannabis monatlich käuflich erwerben. Dabei darf der THC-Gehalt der Pflanzen einen Richtwert von zehn Prozent nicht überschreiten.
Die Wirkung von Cannabis
Cannabis zählt zu den Hanfpflanzen und gilt als Betäubungsmittel. Die berauschende Wirkung basiert primär auf den weiblichen Pflanzenteilen, die einen psychoaktiven Wirkstoff namens Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten. Extrahiert wird das Rauschmittel dabei aus den Blättern oder auch den zugehörigen Blütenspitzen.
Das THC nimmt Einfluss auf das zentrale Nervensystem. In geringer Dosierung entspricht es dem subjektiven Erleben nach dem Genuss von Alkohol. Primäre Wirkungen sind beispielsweise Wohlbefinden, Entspannung, Euphorie sowie Angstreduzierung. Die allgemeine Wahrnehmung verändert sich und es entsteht vielfach eine Art Hochgefühl.
Auch Nebenwirkungen können beim Genuss von Cannabis in Erscheinung treten. Hier zeigen sich unter anderem Schwindelgefühle, Unruhe, Mundtrockenheit oder auch ein erheblich gesteigerter Appetit. Sowohl die Wirkungen als auch die Nebenwirkungen können stark variieren. Es kommt dabei sowohl auf die Cannabis-Qualität als auch auf die Konsummenge und Ihre allgemeine Grundbefindlichkeit an.
Risiken beim Konsum von Cannabis
Der Genuss von Cannabis kann unter Umständen nicht nur positive Wirkungen auf seine Konsumenten haben. Neben Entspannung und Euphorie kommt es in manchen Fällen auch zu Halluzinationen, die als ein wichtiger Indikator für eine mögliche Psychose im weiteren Verlauf gelten. Auch wenn sich eine solche drogeninduzierte Psychose vor allem bei Menschen zeigt, die über längere Zeiträume und auch in größeren Menge Cannabis konsumieren, sind psychoseähnliche Symptome in seltenen Fällen bereits nach einmaligem Konsum möglich.
Es ist nicht eindeutig vorhersehbar, wer das Risiko für eine Psychose hat und wer nicht. Ein wichtiger Faktor ist jedoch das Alter. Vor allem bei jungen Menschen, speziell Jugendlichen, finden im Bereich des Gehirns umfangreiche Umbauprozesse beim Heranwachsen statt. Aus diesem Grund weisen sie auch eine deutlich höhere Anfälligkeit für schädigende Wirkungen von Suchtstoffen auf. Dies gilt nicht nur für Psychosen, sondern ebenso für eine schnelle Abhängigkeitsentwicklung und gleichermaßen eine stärkere Wirkung des THC im Vergleich zu älteren Konsumenten.
Gras-Konsum schadet dem Gehirn von Jugendlichen
Gerade im Jugendalter kann der Konsum von Cannabis die Hirnstruktur und damit auch das Verhalten verändern, wie ein internationales Forschungsteam anhand von Hirnscans belegte[1]: Zu Beginn der Studie waren die MRT-Scans der rund 800 – zu Beginn der Studie etwa 14-jährigen Teilnehmer – noch nahezu identisch. Fünf Jahre später war das ganz anders: Ein Teil der Probanden hatte angefangen Gras zu konsumieren – manche nur gelegentlich, andere sehr häufig. Bei den Cannabis-Konsumenten zeigten die MRT-Aufnahmen ein deutlich verändertes Bild: Ihre Hirnrinde war dünner als bei der Vergleichsgruppe. Die Veränderungen zeigten sich in einem besonders wichtigen Bereich des präfrontalen Kortex. Dort befinden sich viele Andockstellen für Inhaltsstoffe aus Cannabis. Diese Hirnregion hilft uns, Impulse zu kontrollieren, Probleme zu lösen und Handlungen zu planen.
Deshalb überrascht es kaum, dass die Jugendlichen mit auffälligen Hirnscans sich auch im Verhalten von Gleichaltrigen ohne Kontakt zu Cannabis unterschieden: Die 19-jährigen Cannabis-Konsumenten reagierten impulsiver und hatten größere Schwierigkeiten, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren.
Psychische Auswirkungen des Cannabis-Konsums
Der Gebrauch von Cannabis muss nicht primär zu einer Psychose führen. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme[2] zum Zusammenhang von Cannabiskonsum und psychischen Erkrankungen zeigt jedoch, dass Cannabis-Konsumenten im Durchschnitt etwa 2,7 Jahre früher an einer Psychose erkranken als abstinente Personen. Dies gilt umso mehr, wenn Cannabis einerseits sehr regelmäßig und andererseits über viele Jahre hinweg verwendet wird. Ein besonders hoher THC-Gehalt – wie bei vielen derzeit unter der Hand verkauften Sorten – erhöht das Risiko einer Psychose zusätzlich.
Auch weitere psychische Störungen gehören zu den Risiken, vor allem bei einem häufigen Gebrauch. So belegt eine wissenschaftliche Analyse des Bundesministeriums für Gesundheit, die CaPris-Studie[3], einen Zusammenhang zwischen Cannabis und psychischen Erkrankungen vor allem bei jungen Menschen mit täglichem Konsum. Genannt wurden dabei neben psychotischen Erkrankungen auch Depressionen, Suizidalität und Angststörungen. Bei einem hochpotenten THC-Gehalt von mehr als zehn Prozent steigt auch das Risiko für eine Psychose beziehungsweise eine psychische Erkrankung.
Cannabiskonsum & Schizophrenie bei Männern
Im Vergleich zu Frauen konnte explizit bei Männern in der jüngeren Altersgruppe ein Zusammenhang von Schizophrenie und Cannabis-Konsum belegt werden. Dabei bestand bei einer Anzahl von bis zu 30 Prozent aller gelisteten Fälle von Schizophrenie ein Cannabis-Konsum in der Vorgeschichte.
Zu diesem Ergebnis kommt eine dänische Studie[4] bei Männern im Alter von 16 bis 20 Jahren. Die Ergebnisse legen nahe, dass ein Verzicht auf Cannabis in dieser Gruppe nahezu ein Fünftel aller Fälle von Schizophrenie verhindern könnte.
Positive Effekte von Cannabis
Cannabis wird seit dem Jahr 2017 im Bereich der Medizin verwendet. Patienten, die nachweislich unter bestimmten schwerwiegenden Erkrankungen leiden, haben die Möglichkeit, sich sogenanntes medizinisches Cannabis ärztlich verordnen zu lassen. Die Kosten werden dabei von den Krankenkassen übernommen. Zu den Krankheiten, die auf Cannabis gut ansprechen, gehören beispielsweise Multiple Sklerose (MS), Aids sowie Krebs. Hier kann sich Cannabis schmerzlindernd auswirken und wird in der Regel ergänzend in den bestehenden Behandlungsplan aufgenommen.
Bisher ist die Studienlage zur Wirksamkeit von Cannabis im Krankheitsfall noch relativ dürftig. Nachweise konnten bisher für bestimmte Indikationen erbracht werden, darunter Übelkeit im Rahmen einer Chemotherapie, schwerwiegende chronische Schmerzen sowie Muskelkrämpfe im Kontext einer MS-Erkrankung.
Der medizinische Nutzen von Cannabis basiert auf bestimmten Inhaltsstoffen. Dies sind die Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC ist für seine berauschende und dabei entspannende Wirkung bekannt, CBD gilt als einerseits entzündungshemmend und andererseits angstlösend.
Fazit
Gegenwärtig gibt es noch keine Langzeiterkenntnisse zur Cannabislegalisierung in Deutschland. Es ist jedoch zu erwarten, dass der legale Erwerb die Qualität der Droge verändert und dadurch Ihre individuellen gesundheitlichen Risiken zumindest verringert werden. Der Nutzen für den medizinischen Bereich ist bekannt und für eine Vielzahl an Patienten weiterhin sinnvoll. Im Hinblick auf die Risiken, insbesondere mögliche psychische Erkrankungen, ist vor allem eine umfassende Aufklärung wesentlich: zahlreiche Studien belegen, dass besonders ein regelmäßiger Konsum innerhalb der Pubertät zu nachhaltigen Veränderungen im Gehirn und letztenendes zu ernsthaften psychischen Erkankungen führen kann.
[1] https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2781289
[2]https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Hoch_et_al_Cannabis_Potential_u_Risiko_SS.pdf
[3]https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Broschuere/BMG_CaPris_A5_Info_web.pdf
[4] https://www.cambridge.org/core/journals/psychological-medicine/article/association-between-cannabis-use-disorder-and-schizophrenia-stronger-in-young-males-than-in-females/E1F8F0E09C6541CB8529A326C3641A68
Toller Artikel, der die Facetten der Cannabis-Legalisierung und ihre Auswirkungen auf die Psyche detailliert beleuchtet. Besten Dank dafür. Besonders interessant finde ich hier den balancierten Ansatz, der sowohl die potenziellen Vorteile als auch die Risiken des Cannabis-Konsums hervorhebt. Es ist immer besonders wichtig, solche nuancierten Perspektiven zu teilen, um ein umfassendes Verständnis für die Thematik zu fördern.