Erschöpfungsdepression und Burnout-Syndrom – zwei Begriffe, die einen gefährlichen Zustand am Limit beschreiben. Doch letzterer ist umstritten: Burnout sei eigentlich nichts anderes als eine Depression, sagen die einen. Burnout sei eine Modediagnose und keine echte Krankheit, sagen die anderen. Was stimmt nun? Ist Ausgebranntsein eine Krankheit, und wenn ja, wo liegen die Unterschiede zur Erschöpfungsdepression? Wir beleuchten Begriffe, Mythen und Fakten.
Vorweg: Ist eine psychische Krankheit ein Makel?
Psychische Krankheiten haben nach wie vor ein Imageproblem. Hand aufs Herz: Würden Sie Ihren Arbeitskollegen, Bekannten oder Nachbarn bereitwillig erzählen, dass Sie wegen einer Erschöpfungsdepression krankgemeldet sind? Oder wäre Ihnen da doch ein Burnout-Syndrom lieber? Schließlich deutet diese Diagnose auf viel Arbeit und viel Leistung hin – nicht auf Schwäche, wie man sie psychisch Erkrankten manchmal unterstellt. Kein Wunder, dass sich viele Menschen lieber als „ausgebrannt“ bezeichnen, wenn in Wirklichkeit vielleicht ein ganz anderes Problem dahinter steckt. Dadurch scheint der Begriff „Burnout“ oft schwammig und nichtssagend.
Lesen Sie hier, was am Arbeitsplatz im Umgang mit psychischen Erkrankungen beachtet werden sollte.
Was genau versteht man unter dem Burnout-Syndrom?
Es gibt aber sehr wohl eine offizielle Definition, die auch im Diagnosehandbuch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorkommt. Demnach bezeichnet das Burnout-Syndrom einen schweren körperlichen und psychischen Erschöpfungszustand durch lang andauernde berufliche Überforderung. Typische Eckpunkte eines Burnout-Syndroms sind laut WHO:
- das Gefühl schwerer Erschöpfung
- eine ausgeprägt negative Einstellung zur Arbeit bis hin zu Zynismus
- eine abnehmende berufliche Leistungsfähigkeit
So belastend dieser Zustand ist – nach der offiziellen Lesart gilt das Ausbrennen durch Überlastung nicht als Erkrankung im eigentlichen Sinn. Die WHO definiert das Burnout-Syndrom stattdessen als sogenannte „qualifizierende Diagnose“ mit dem Diagnoseschlüssel QD85 „(qualifying diagnosis) Burnout“. Ärzte können mit dieser Zusatzdiagnose andere Erkrankungen wie eine Depression näher beschreiben oder deren Ursachen berücksichtigen. Für sich allein nimmt das Burnout-Syndrom aber nicht den Rang einer Krankheit ein.
Was ist das Burnout-Syndrom, wenn es keine Krankheit sein soll?
Doch das bedeutet keineswegs, dass der Zustand harmlos wäre! Die WHO bezeichnet das Burnout-Syndrom als Risikofaktor für andere Erkrankungen – dazu zählt auch und gerade die Depression. Ein Burnout-Zustand kann somit die Vorstufe einer Erschöpfungsdepression darstellen. Wer ausgebrannt ist, muss aber nicht zwangsläufig depressiv werden. Einige Betroffene leiden stattdessen oder zusätzlich unter psychosomatischen Beschwerden, manche entwickeln eine Angststörung, und wieder andere greifen im Übermaß zu Alkohol oder anderen Drogen.
Zusammengefasst: Ein Burnout ist eine offizielle medizinische Diagnose – und nicht einfach nur ein Modebegriff oder ein anderes Wort für eine Erschöpfungsdepression. Als eigenständige Erkrankung gilt es nicht, sehr wohl aber als Risikofaktor oder Vorstufe davon.
Was versteht man unter einer Erschöpfungsdepression?
Der Begriff „Erschöpfungsdepression“ kommt im Diagnosekatalog der WHO eigentlich nicht vor. Das Krankheitsbild Depression wird hier nur allgemein definiert, und zwar anhand dieser drei Kernsymptome:
- ein tiefes Gefühl der Niedergeschlagenheit
- ausgeprägte Antriebslosigkeit und Erschöpfung
- der Verlust von Freuden und Interessen
Betroffene können außerdem unter Schlafstörungen, Appetitstörungen oder Konzentrationsproblemen leiden. Typisch sind auch Schuldgefühle, ein vermindertes Selbstwertgefühl sowie ein sehr pessimistischer Blick auf die Zukunft. Bei manchen ist die Verzweiflung so groß, dass sie schließlich an Suizid denken.
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Was unterscheidet die Diagnosen Burnout-Syndrom und Erschöpfungsdepression voneinander?
Zwischen den Diagnosen Burnout und Depression gibt es auf den ersten Blick viele Überschneidungen. In beiden Fällen dominieren Gefühle von Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung, Verzweiflung oder innerer Leere. Bei einer Depression sind diese Gefühle aber oft tiefgreifender und allumfassender als bei einem „reinen“ Burnout-Syndrom. Zwar ist auch hier das Privatleben durch die berufliche Situation schwer überschattet. Wer ausgebrannt ist, kann aber in bestimmten Momenten noch Freude und andere positive Gefühle empfinden, beispielsweise im Urlaub.
Ein entscheidender Unterschied betrifft die Ursachen: Das Burnout-Syndrom geht definitionsgemäß auf eine berufliche Überlastung zurück. Für die Diagnose einer Depression spielt die genaue Ursache dagegen zunächst keine Rolle. Eine Depression kann sich infolge von lang anhaltendem Stress einstellen – dann spricht man von einer Erschöpfungsdepression. Sie kann aber beispielsweise auch auf genetische Faktoren, lebensgeschichtliche Erfahrungen oder Probleme im privaten Umfeld zurückgehen. Oft klären sich die individuellen Ursachen erst im Rahmen einer Therapie.
Hier erfahren Sie mehr über die Unterschiede zwischen Burnout und Depression.
Welche Unterschiede gibt es in Bezug auf die Therapie?
Egal, ob es am Papier nun Erschöpfungsdepression oder Burnout heißt: In erster Linie ist es wichtig, dass Sie Ihren Zustand ernst nehmen und sich professionelle Hilfe zugestehen! Es gibt wirksame und bewährte Methoden, um die Depression oder den Erschöpfungszustand zu überwinden, ob ambulant oder stationär wie in der Schlossparkklinik. Dazu zählt in vielen Fällen eine fundierte Psychotherapie. Medikamente können bei einer Erschöpfungsdepression zu einer rascheren Verbesserung beitragen, sind für sich allein aber meist unzureichend.
Welche Vor- und Nachteile haben Psychotherapie und Medikamentengabe? Hier lesen.
Um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, wird die Therapeutin oder der Therapeut bei den individuellen Ursachen ansetzen, die sich in vielen Fällen überschneiden: Eigenschaften wie Perfektionismus, übertriebenes Leistungsdenken oder ein schwaches Selbstwertgefühl können sowohl eine Erschöpfungsdepression als auch ein Burnout-Syndrom begünstigen. Erfahrungsgemäß geht die Überforderung oft nicht nur auf äußere Umstände, sondern auch auf die eigenen Ansprüche an sich selbst zurück.
Dennoch ist es bei Burnout-Zuständen sehr oft notwendig, an den äußeren Rahmenbedingungen zu schrauben. Denn Faktoren wie extreme Überstunden, prekäre Arbeitsverhältnisse oder Mobbing am Arbeitsplatz sind per se krankmachend. Wer nach einer Auszeit oder einer Therapie in dieses Arbeitsumfeld zurückkehrt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit wieder Schiffbruch erleiden. Oft führt daher an einer beruflichen Neuorientierung kein Weg vorbei, um auf Dauer gesund und leistungsfähig zu bleiben.