Hausfrauen und „normale Angestellte“ – Teil 4
Wovon bist Du denn schon gestresst?
Im Rahmen von hohem Engagement und vielfältigen Betätigungsfeldern wird der Burnout als „Krankheit der fleißigen Menschen“ gesellschaftlich im Zusammenhang mit der hohen Leistung heute weitestgehend akzeptiert. Betrifft der Burnout jedoch Menschen, deren Leistungsspektrum nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, beispielsweise Hausfrauen, Mütter, Geringverdiener und „einfache“ Angestellte, stehen hingegen schnell Zweifel im Raum: „Wovon bist Du denn schon gestresst?“ ist dabei eine häufig gestellte Frage, die aus Unwissenheit um Krankheitsbild und gesellschaftlichem Leistungsgedanken gestellt wird.
Überbelastung ist oft unsichtbar
Burnout ist ein komplexes Problem, das sich meist schleichend im Leben des Betroffenen manifestiert. Zu den typischen Auslösern für ein Burnout zählt die mentale und / oder körperliche Überbelastung des Betroffenen über einen längeren Zeitraum. Diese Überbelastung muss allerdings nicht ausschließlich im Bereich der Arbeit durch hohes Engagement und Leistungsdruck auftreten, sondern kann auch durch private Anforderungen in Erscheinung treten, wenn der Betreffende nicht ausreichend auf die Selbstfürsorge im Lebensstil achtet.
Entsprechend ist es nicht nur respektlos, einen Menschen ohne einen klassischen Karriere-Status, beispielsweise einer Hausfrau, die Frage zu stellen, wovon sie denn einen Burnout habe, sondern schlichtweg eine Aussage, mit welcher der Sprechende seine Unkenntnis zu dieser mitunter sehr schwerwiegenden Erkrankung zur Schau stellt. Rückt hingegen die individuelle Lebenssituation in den Mittelpunkt der Betrachtung, wird schnell deutlich, wie vielfältig die Tätigkeiten und Belastungen der Betroffenen oft sind. Meist werden die Folgen von lebensverändernden Ereignissen, aber auch von Schicksalsschlägen, von den Menschen in unserer Gesellschaft getragen, die sich durch hohes Verantwortungsgefühl und Zuverlässigkeit auszeichnen. Hierzu zählt sowohl der Familienzuwachs durch Kinder, aber auch die Betreuung von Kranken oder Pflegebedürftigen in der Familie sowie dem persönlichen Umfeld.
Was auf den ersten Blick leicht aussieht, wird im Alltag jedoch schnell zu einer Belastungsprobe: Die Kinderbetreuung ist heute von mannigfaltigen Ansprüchen und Terminen geprägt, die nicht viel mit dem Beaufsichtigen der spielenden Kinder zu tun hat. Die Betreuung pflegebedürftiger Menschen ist ebenfalls eine verantwortungsvolle Tätigkeit, welche die mentale wie körperliche Energie rauben kann. Alleinerziehende Elternteile stemmen häufig die Kindererziehung und die Berufstätigkeit mit viel Engagement, ohne ausreichende Unterstützung für die eigene Selbstfürsorge zu erhalten. Hinzu kommen gesellschaftliche Aspekte wie das Ehrenamt oder die Unterstützung in Vereinen und Gemeinschaften des persönlichen Umfeldes, die gerne mit Hinweisen wie „Du hast ja Zeit.“ an diese Personengruppe übertragen werden.
Individuelle Belastungsgrenzen beachten – und einfordern
Wenn Sie spüren, das Burnout-Symptome bei Ihnen erkennbar werden, ist es unabhängig von Ihrer Tätigkeit und der Meinung des Umfeldes wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und gegebenenfalls den Rat eines Arztes Ihres Vertrauens in Anspruch zu nehmen. Werden Sie aufmerksam, wenn Sie das Gefühl haben
– den täglichen Anforderungen nicht mehr gerecht zu werden,
– wenn Sie häufig Müdigkeit und Erschöpfung verspüren,
– wenn Sie schlecht schlafen und nicht erholt aufwachen,
– wenn Ihre Gedanken stetig um noch zu erledigende Aufgaben kreisen und ein Abschalten unmöglich wird,
– wenn Sie schnell gereizt oder äußerst sensibel auf Aussagen von Dritten reagieren,
– wenn Ihre Stimmung über einen längeren Zeitraum niedergeschlagen ist,
– wenn Sie Ihre eigene Leistungsfähigkeit nicht anerkennen können oder als unzureichend empfinden,
– wenn Sie sich wertlos und hoffnungslos fühlen.
Haben Sie keine Scheu, Zeit für sich einzurichten und nötigenfalls durch die Delegation von Aufgaben für sich einzufordern. In unserer Leistungsgesellschaft wird Leistung viel zu oft mit geldwerten Vorteilen und messbaren Ergebnissen in Verbindung gebracht, wodurch Leistungen im zwischenmenschlichen und persönlichen Bereich eine deutlich geringere Anerkennung erhalten, als ihnen grundlegend zustünde. Stattdessen ist es wichtig, das eigene Wohl in den Mittelpunkt zu stellen und die Übertragung von weiteren Aufgaben gegebenenfalls abzulehnen. Lernen Sie Ihre persönlichen Belastungsgrenzen kennen und sprechen Sie mit Ihrem Arzt, um einen Burnout zeitnah zu erkennen und eine Chronifizierung der Symptome des Burnouts in Form von Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen zu vermeiden.