Darm-Hirn-Achse & psychische Gesundheit

Ärger kann manchem Menschen auf den Magen schlagen, Sorgen können zu Verdauungsproblemen führen und die positive Vorfreude auf tolle Erlebnisse und geliebte Menschen kann „Schmetterlinge im Bauch“ hervorrufen. Auch die optische Ähnlichkeit von Gehirn und Darm legt eine Verbindung nahe, die zwischen den beiden wichtigen Körperregionen zu bestehen scheint. Und tatsächlich belegen inzwischen auch Studien: Die Situation im Darm kann die Psyche ebenso beeinflussen so wie die Gehirnaktivität den Verdauungstrakt.

Das „zweite“ Gehirn im Bauch
Die moderne Forschung zeigte in den letzten Jahren immer deutlicher, wie eng die psychischen Prozesse und somit die psychische Gesundheit mit dem Verdauungssystem gekoppelt ist. Die mundartlich verbreiteten Sprüche vom Problem, das „auf den Magen schlägt“ ist somit näher an der Wahrheit dran, als man lange Zeit glaubte. Tatsächlich wird vor allem das Mikrobiom des Darms mit diversen Erkrankungen in Verbindung gebracht: Neben Depression und Angsterkrankungen, die durch Störungen in der Darmflora gefördert, wenn nicht gar ausgelöst werden, können psychische Belastungen und Stoffwechselstörungen im Gehirn Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt, beispielsweise das Reizdarmsyndrom hervorrufen. Auch darüber hinaus liegt die Vermutung nahe, dass alles, was im Gehirn geschieht, auch im Darm klare Spuren hinterlässt, wie sich bei gewebeschädigenden Erkrankungen wie Alzheimer und BSE sowohl im Gewebe von Gehirn und Darm erkennen lässt.

Die moderne Wissenschaft ermittelte in Gehirn und Darm nahezu identische Strukturen im Zell- und Molekülaufbau. Damit bestätigten sie Entdeckungen, die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gemacht wurden und den Ursprung der Neurogastroenterologie durch den Nervenarzt Leopold Auerbach begründeten. Damals wurden die Erkenntnisse jedoch verworfen, da der medizinische Grundsatz galt, das Gehirn sei die „Schaltzentrale“ des Körpers. Dabei legten schon Auerbachs Untersuchungen nahe, dass der Darm nicht nur für die Verdauung zuständig ist, sondern ein einzigartiges Netzwerk von Nervensträngen und -zellen umfasst, mit dem ein raffiniertes Gleichgewicht von Hormonen, Sekreten und Botenstoffen gesteuert wird.
Ergänzt um den Vergleich der Wirkungsweisen von Medikamenten, zeigten sich korrespondierende Ergebnisse moderner Studien auch im Gegenstück: Arzneimittel für die Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen wirken ebenso im Darm, während Menschen mit einem hochaktiven Magen-Darm-Trakt lindernde Beruhigung erfuhren, wenn Migränemedikamente verabreicht wurden. Sogar starke Entzündungen im Darm konnten mit Betäubungsmitteln gelindert werden. Allerdings konnten Antidepressiva umgekehrt auch als Verursacher von Verdauungsstörungen wirken.

Die gesunde Darmflora als Schlüssel für psychische Gesundheit?
Inzwischen gehen die wissenschaftlichen Erkenntnisse jedoch noch weiter: Ging man früher davon aus, dass das Kopfgehirn den größten Einfluss auf den Organismus hat, steht heute der Darm als größtes Immunorgan im Körper zunehmend stärker im Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei scheint das Kopfgehirn mehr bewusste Aspekte prägen zu können, das Darmgeflecht hingegen eher die unbewussten. Dadurch beeinflussen Abläufe in der Darmgesundheit als Zentrale des Immunsystems tatsächlich stärker die Situation im Kopf als umgekehrt. In vielen Aufgaben ist das Darmsystem vom Gehirn autark, kann somit zahlreiche Belastungen vom Gehirn fernhalten (z.B. leichte Keimbelastungen), gleichzeitig das Gehirn jedoch in Alarmbereitschaft versetzen, um bei Bedarf Mechanismen wie Krämpfe, Erbrechen oder die Darmentleerung anzuregen.
Das komplexe Zusammenspiel von Mikroorganismen in der Darmflora beeinflusst den Körper durch eine geradezu symbiotische Beziehung. Ungleichgewichte in der Darmflora können vielfältige Krankheiten hervorrufen, während die Rückkehr zum Gleichgewicht jedoch ebenso eine Genesung oder zumindest eine Beschwerdeverbesserung zur Folge hat. So haben sich Ernährungsumstellungen für eine Verbesserung der Darmflora ebenso als Hilfestellung für Betroffene bewährt wie spezialisierte Therapien (z. B. die Stuhltransplantation) mit ausgewogenen Mikroorganismen, um die Darmflora eines Patienten zu stabilisieren.
Problematisch ist dieser Umstand jedoch bei Menschen mit einem „irritablen Darm“, auch IBS genannt (englisch: „irritable bowel syndrom“). Bei Betroffenen sind die Mechanismen des Darms und die Signalweiterleitung bzw. -blockierung zwischen Darm und Gehirn verändert. In der Folge wird das Gehirn bei jeder kleinen Belastung mit ausgeschütteten Stresshormonen und Entzündungsstoffen durch den Darm über Gefahren informiert. Das Dauerfeuer setzt das Gehirn unter Druck, das ständige „Unwohlsein“ auszuhalten, das bis hin zu einer Zellzerstörung im Gehirn führen kann. Bei Depressionen und Angstzuständen beobachten Wissenschaftler schon seit längerer Zeit ähnliche Veränderungen auf molekularer Ebene, die sich besonders bei chronischen Erkrankungen mit psychischen Hintergründen zeigen. Rund 40 % der Menschen mit chronischen Darmbeschwerden gelten auch als von psychischen Erkrankungen betroffen.

In unserer Klinik versuchen wir zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt mögliche Mikrobiomstörungen des Darms beim Patienten zu detektieren (Fragebogen, internistische Untersuchung, wenn notwendig qualitative Mikrobiomuntersuchung), um in diagnostisch eindeutigen Fällen ggf. auch eine Mikrobiomsanierung des Darms vornehmen zu können. Diese erfolgt einfach, schonend und ohne Nebenwirkungen in Form der Verabreichung einer Mikrobiomkapsel. Sprechen Sie uns bei Interesse gerne an.