Was tun, wenn die Panik kommt?
Gerade noch stand Martina mit ihrer Freundin im Geschäft und sie lachten gemeinsam über die lustigen T-Shirts mit den coolen Sprüchen, als sie plötzlich ein Gefühl von Enge in der Brust verspürte. Ihr Herz begann wie wild zu pochen. Schweiß lief ihr über die Stirn und sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Es schien ihr, als ob der Boden sich bewegen und ihre Beine sie nicht mehr tragen würden. Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, suchte sie nach einem Halt, klammerte sich mit einer Hand an ihrer erschrockenen Freundin fest und begann keuchend zu atmen, während sie nur aus der Situation raus wollte. Schnell nahm Saskia ihre Freundin in den Arm und führte sie langsam zum Ausgang, wo vor der Tür glücklicherweise eine Bank bereitstand.
Saskia hielt Martinas Hand. Mehr wusste sie nicht zu tun. Hilflos blickte sie sich um, als ihnen eine Verkäuferin nachkam. Saskia fürchtete schon, dass die Verkäuferin sie aufgrund des fluchtartigen Verlassens des Geschäftes für verdächtig hielt. Doch diese lächelte sanft, hockte sich vor die noch immer keuchende Martina, nahm ganz selbstverständlich deren Hände und begann mit sanfter Stimme auf sie einzureden.
„Holen Sie mal langsam Luft und dann atmen Sie ganz lange aus. Lassen Sie die Angst beim Ausatmen ganz einfach herausfließen. Und nochmal, ganz langsam. Einatmen und wegpusten. Sehen Sie!? Die Panik geht wieder vorbei. Ich stelle sie mir immer wie eine Pusteblume vor. Je mehr Schirmchen fliegen, desto weniger wird die Angst.“
Martina schaute „Tanja“, wie es auf dem Namensschild stand, irritiert an. Instinktiv tat sie, was ihr die junge Frau riet – und tatsächlich, die Panik wurde weniger. Der Druck auf der Brust löste sich langsam. Doch es war ihr peinlich, dass diese fremde Frau sie in diesem schwachen Moment so erlebte. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt hatte sie ihre Hände genommen und sie beruhigt.
Unsicher blickte Martina auf. „Ähm. Danke für Ihre Hilfe…“, sagte Martina zu ihr. „Gar kein Problem. War es das erste Mal? Oder kam das schön öfter vor?“ Saskia kam Martina zuvor: „Das hatte sie vorher noch nie.“ – „Doch“, widersprach Martina zaghaft. „Es ist schon zwei Mal passiert. Aber nie in der Öffentlichkeit.“
Die nette Verkäuferin nickte freundlich. „Dann kann ich nur empfehlen, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Das ist nichts Schlimmes, aber ein klares Warnsignal vom Körper, dass er mit irgendwas nicht zurechtkommt. Je früher Sie da jetzt aktiv werden, umso schneller werden sie es wieder los. Unbehandelt kann das echt übel werden – ich weiß das leider sehr genau.“ Sie zog ein schiefes Gesicht, dem jedoch wieder ein freundliches Lächeln folgte. „Heute hab ich damit keine Probleme mehr.“ zwinkerte sie.
Was steckt hinter Angst und Panik?
Angst hat grundsätzlich eine natürliche Schutzfunktion, die in der Menschheitsgeschichte unser Überleben gesichert hat. Wenn wir eine Gefahr wahrnehmen, schüttet der Körper Hormone und Botenstoffe aus, die uns dazu befähigen, möglichst „gut“ mit der Gefahrensituation umzugehen. „Gut“ bedeutet in diesem Fall, dass unsere Aufmerksamkeit geschärft ist, die Sinne hellwach sind, der Körper durch die schnelle Atmung bereit ist, unmittelbar zu reagieren. Je nachdem, ob wir die Gefahrensituation als bewältigbar einschätzen folgt die Reaktion mit Angriff oder Flucht.
In unserer heutigen Zeit reagiert der Körper noch genauso wie bei unseren Vorfahren, da wir als Menschen durch dieses Muster einen deutlichen Überlebens-Vorteil hatten. Nur zeigt sich die die „Gefahr“ in unserer heutigen Gesellschaft häufig anders, wodurch die starke Reaktion dann teilweise nicht mehr hilfreich ist. Gleich ist, dass wir durch die Körperreaktion darauf vorbereitet, bzw. von unserem Körper dazu aufgefordert werden, der Situation die uns nicht guttut, zu entkommen, diese zu vermeiden oder sie zu ändern. Viele Menschen ignorieren jedoch die ersten Warnsignale wie ungute Gefühle, unglückliche Lebenssituationen in der Partnerschaft oder im Beruf sowie Aspekte, die aus dem persönlichen Umfeld kommend Druck auf die Psyche ausüben. Der Körper reagiert wie in einer Gefahrensituation, um den Menschen zum Handeln oder Umdenken zu zwingen.
Europaweit gelten etwa 60 Millionen Menschen als von Angststörungen betroffen. Nach einer Studie des Robert-Koch Institutes in der Modulstudie zur psychischen Gesundheit (DEGS1-MH) sind vor allem Frauen zwischen 18 und 35 Jahren betroffen, die mehr als doppelt so häufig erkranken wie Männer (Frauen 21,3 %, Männer 9,3 %). Diese Zahlen umfassen jedoch nicht nur Betroffene von Panikattacken, sondern das ganze Spektrum der Angststörungen, die zwischen sozialer Phobie, Agoraphobie (Angst vor bestimmten Orten), generalisierter Angststörung und Zwangsstörungen eine große Bandbreite an Ängsten umfassen. Häufig vermeiden die Betroffenen zunehmend mehr Situationen und ziehen sich auch sozial zunehmend zurück, bzw. sie versuchen sich durch Alkohol, Drogen oder Medikamente eine kurzzeitige Erleichterung von den Ängsten zu schaffen. In der Folge sind Depressionen und Suchterkrankungen eine häufige Begleiterscheinung von Angsterkrankungen.
Gefühl der Lebensbedrohung aus dem Nichts
Haben Sie oder ein Angehöriger eine Panikattacke erlebt, sollten Sie unverzüglich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und mit dem Arzt Ihres Vertrauens sprechen. Als Panikattacke bezeichnet man die plötzliche, unerwartete und sehr massive Überflutung durch die Angst, wie sie anfangs beschrieben wurde. Unbehandelt kann sich die Angststörung zu einem andauernden, quälenden Gefühl entwickeln, das während einer Panikattacke in eine stark empfundene Lebensbedrohung mündet. Es entsteht ein Kreislauf, der die eigentliche Angst mit der Angst vor der nächsten Panikattacke ergänzt. Viele Betroffene ziehen sich immer mehr zurück, versuchen die Auslöser zu vermeiden und schränken sich somit vielfältig in ihrer Lebensqualität ein.
Durch die professionelle Begleitung in einer spezialisierten Psychotherapie können Sie lernen, die Hintergründe Ihrer Problemsituation aufzulösen und sich aus der Negativspirale aus Angst und Panik dauerhaft befreien.
Angststörungen sind auf jeden Fall weit verbreitet und wer weiß, wie groß die Dunkelziffer ist. Meine Tochter leidet an Angststörungen und Depressionen. Ein Psychologe wäre auf jeden Fall angebracht, um ihr da raus zu helfen. Danke für den Beitrag!