Gerade in den dunklen Jahreszeiten Herbst und Winter macht vielen von uns die Schwermut zu schaffen. Dahinter kann eine besondere Form der Depression stecken, die sogenannte saisonal abhängige Störung (manchmal auch saisonal-affektive Störung), die im Diagnosehandbuch der WHO ICD-10 unter die rezidivierenden depressiven Störungen fällt. Ob und wie man sich vor krankheitsbedingtem Trübsinn schützen und Schwermut bekämpfen kann, erfahren Sie hier.

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leidet jeder zehnte Mensch rund um den Globus unter Depressionen. Auch hierzulande handelt es sich längst um eine Volkskrankheit. Bis zu 20 Prozent der deutschen Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens mindestens einmal an einer Depression oder chronisch depressiven Verstimmung (Dysthymie) – Frauen wesentlich häufiger als Männer. Über die entscheidenden Entstehungsursachen der krankhaften Schwermut sind sich die Forscher jedoch bis heute im Detail noch nicht ganz einig. Der wesentliche Grund dafür liegt in der Komplexität unseres Gehirns. „Mit seinen rund 100 Milliarden Neuronen ist es nach wie vor wissenschaftlich noch nicht vollständig verstanden“, erklärt das Facharzt-Team der Schlossparkklinik Dirmstein.

Wodurch entstehen Depressionen?

Sicher ist, dass nicht nur die genetische Veranlagung eine Rolle bei den Ursachen einer Depression spielt. Vielmehr ist das Zusammenspiel bzw. die Wechselwirkung biologischer Faktoren (Hirnstoffwechselstörungen) und psychosozialer Momente (Jobverlust, private Trennung etc.) entscheidend. Besonders hoch ist das Risiko, depressiv zu werden, bei Menschen mit körperlichen Leiden.

Sind Depressionen die Folge schwerer Schicksalsschläge?

Tatsache ist, dass der Erkrankung oft sehr belastende Ereignisse vorausgehen. Das können der Tod des Ehepartners oder die berufliche Kündigung sein. „Doch es ist längst nicht immer der schwere Schicksalsschlag, der uns in ein tiefes Loch fallen lässt“, geben die Experten zu bedenken. „Auch chronische Überforderungen im Job, kleinere Veränderungen in Beruf oder Familie können Auslöser einer Depression sein, wenn eine dementsprechende Prädisposition vorliegt.“

Was sind typische Symptome einer Depression?

Klassische Anzeichen einer depressiven Erkrankung sind unter anderem Niedergeschlagenheit und Trauer, Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit, Interessenverlust und Konzentrationsschwäche. Der Begriff der Schwermut oder auch Melancholie steht heutzutage im medizinischen Zusammenhang also eher für eine symptomatische Gefühlslage bei Depressionen, während „Melancholie“ bis ins 19. Jahrhundert hinein noch als medizinischer Terminus für die Krankheit selbst verwendet wurde.

Doch neben einem veränderten Gemüt bringt eine depressive Erkrankung oft auch erhebliche körperliche Probleme mit sich. „Manchmal verbirgt sich hinter Magen- oder Darmbeschwerden, Schwindel sowie Kopf- und Rückenschmerzen eine Depression“, so das Team der Schlossparkklinik Dirmstein. Hier handelt es sich dann gegebenenfalls um psychosomatische Beschwerden. „In jedem Falle ist hier die fachärztliche Klärung erforderlich.“

Sind Depressionen eine „richtige“ Krankheit?

„Ja, Depressionen sind eine Volkskrankheit, deren Schwere sehr häufig unterschätzt wird“, stellt unser Chefarzt klar. „Im Gegensatz zu Verstimmungen, unter denen viele Menschen vor allem in der trüben Jahreszeit leiden, können Depressionen Monate und Jahre andauern“, erläutert der Facharzt. Betroffen sind keineswegs nur besonders sensible oder labile Menschen, wie oft zu hören ist. Treffen kann es jeden – Kinder ebenso wie alte Menschen.

Wie entstehen Depressionen? Die Frage ist komplex, es gibt viele mögliche Ursachen.
Quelle: statista.de

Kann ich mich vor Depressionen schützen?

„Einen sicheren Schutz vor einer Depression gibt es nicht“, führt das Team um den aktuellen Chefarzt aus. Denn schließlich kann niemand auslösende traumatische Erlebnisse, wie etwa den Tod eines geliebten Menschen, voraussehen. „Allerdings lassen sich die Risiken durch ein funktionierendes soziales Netzwerk mit guten Freunden sowie abwechslungsreichen Hobbys senken“. Sport und viel Bewegung an der frischen Luft können zudem regelrecht antidepressiv wirken. Und auch ausreichende Entspannung steuert einem Stimmungstief entgegen. Besteht eine besondere Depressionsgefährdung, etwa durch hohe Leistungsorientierung und Dauer-Stress oder wurde bereits einmal eine Depression diagnostiziert, empfehlen sich professionelle Präventivprogramme. Im Trend: sogenannte Achtsamkeitstrainings.

Wie Sport gegen Depressionen hilft, lesen Sie hier!

Können MBSR-Achtsamkeitstrainings einer Depression vorbeugen?

Ca. 80 Prozent aller Menschen mit Depressionen erleiden mehrmals in ihrem Leben Phasen der Schwermut. Professionelle Präventivprogramme wie ein Achtsamkeitstraining bzw. MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) können einem Rückfall vorbeugen. Das haben langjährige neurowissenschaftliche Studien belegt. „Sie sind eine sinnvolle Ergänzung zu Psychotherapie und Antidepressiva, je nach Schweregrad manchmal auch eine Alternative“, betont Juliane Stern, zuständige Therapeutin der Schlossparkklinik Dirmstein. Dabei lernen Betroffene ihre Gefühle besser wahrzunehmen und zu verstehen. „In erster Linie geht es nicht darum, sich besser zu fühlen, sondern zunächst einmal darum, besser im Fühlen zu werden“, betont die Expertin.

Wie kann eine bessere Wahrnehmung von Gefühlen im Krankheitsfall helfen?

„In den Achtsamkeitstrainings bzw. in unserem Angebot ‚Mindfulness Based Stress Reduction‘ lernen die Teilnehmer, sich auch unangenehmen Gefühlen zu öffnen statt diesen auszuweichen“, erklärt Therapeutin Stern, „also etwa Trauer, Angst oder Ohnmacht zuzulassen.“ Die Auseinandersetzung mit meditativen Grundhaltungen (Loslassen lernen, Mitgefühl empfinden) setzt zudem Selbstheilungskräfte und neue Energien frei – sowohl auf der kognitiven als auch der emotionalen Ebene. „In den Alltag übernommen, zeigen regelmäßige Übungen schon nach wenigen Wochen Wirkung,“ versichert Juliane Stern. So belegen Studien positive Veränderungen in den Gehirnbereichen, die für die Emotionsregulation und die Konzentrationsfähigkeit zuständig sind.

Verschwinden Depressionen von alleine wieder?

Das ist natürlich der Wunsch vieler Betroffener. Doch unbehandelt vergehen Depressionen nicht von alleine. Deshalb sollte spätestens drei bis vier Wochen nach Beginn der depressiven Verstimmungen der Hausarzt aufgesucht werden. Dieser kann beurteilen, ob psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe erforderlich ist. Eine therapeutische Behandlung dauert oft Monate. Doch es lohnt sich: „Je früher die Behandlung beginnt, desto schneller und effektiver können die Beschwerden in der Regel behoben werden“, so unsere Experten.

Je nachdem, wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist und was für den individuellen Patienten geeigneter ist, erfolgt die Behandlung in Form von Psychotherapie und/oder der Gabe von Psychopharmaka sowie in Kliniken zusätzlich auch durch komplementäre z.B. nonverbale Therapieverfahren. Am Ende ist das Ziel immer das Gleiche: Wieder mehr Lebensfreude und psychische Stabilität. Wiederholungen der depressiven Phasen sind aber nicht ausgeschlossen.

Verändern Antidepressiva die Persönlichkeit?

In der Regel umfasst die Behandlung einer mittleren bis starken Depression neben der psychotherapeutischen Unterstützung auch Psychopharmaka (Antidepressiva). Diese machen – entgegen vieler Mutmaßungen – nicht abhängig und verändern auch nicht die Persönlichkeit. Eigentlich ist es eher umgekehrt: Dank der Medikamente lässt sich das chemische Gleichgewicht im Gehirn wieder herstellen. Im optimalen Fall ist der Patient anschließend symptomfrei. Unbehandelt hingegen können Depressionen chronifizieren, wodurch sich Persönlichkeit und Verhalten des Betroffenen im weiteren Krankheitsverlauf möglicherweise dauerhaft verändern.

Mehr Informationen zum Thema erhalten Sie in diesem Artikel: Psychotherapie oder Medikamente? Nebenwirkungen von Psychopharmaka.

Wie finde ich einen geeigneten Therapeuten?

Die zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) haben in der Regel eine Therapeutenliste ihres Zulassungsbezirks vorliegen. Mitunter gibt es dort sogar Koordinatoren, die über Wartezeiten Bescheid wissen und entsprechende Adressen vermitteln. Solche Listen haben in der Regel auch die Krankenkassen, die niedergelassenen Psychiater teilweise sogar die Hausärzte. Ist ein Therapeut gefunden, sollte in den sogenannten probatorischen Sitzungen (vier bis fünf) geprüft werden, ob „die Chemie stimmt“. Dabei kann der Patient auch feststellen, ob der Therapeut sich interessiert, Verständnis hat und bei Lösungsansätzen helfen kann.

Dieser Artikel erschien erstmals am 18. September 2017 und wurde überarbeitet.